Cheng
warmen Studios und taten sich schwer, zwischen Werbung und Durchhalteparolen ihre Freude ob des Zusammenbruchs nicht nur des Verkehrs, sondern eigentlich der ganzen Wiener Ordnung zu unterdrücken.
Auch Markus Cheng hockte in seinem Büro, zog an seiner leichten Odyssee und sah aus dem Fenster auf die Lerchenfelder Straße, von der nicht mehr viel zu erkennen war.
Cheng fühlte sich wohl. Seine Füße steckten in roten Bergsteigersocken und lagerten auf dem Allesbrenner, der neben Koks auch gerade die Unterlagen verbrannte, die Cheng für Frau Hammerschmid zusammengetragen hatte. Die vierzigjährige Geschäftsfrau hatte ihn beauftragt, ihren um sechzehn Jahre jüngeren Freund zu beschatten. Im Grunde einer von diesen unappetitlichen Aufträgen, die er nie wieder hatte annehmen wollen. Aber er hatte ihn bitter nötig gehabt. Auch wenn der Lerchenfelder Straße gerade unter all dem Schnee die Luft ausging, blieben hier die Mieten doch recht hoch. Zum Glück für alle Beteiligten erwies sich, daß der Vierundzwanzigjährige vollauf damit zufrieden war, mit einer reifen Frau das Bett zu teilen, die ihm auch noch ermöglichte, sich ganz seinen brotlosen Leidenschaften zu widmen, wie etwa der Untersuchung der spatialen Poesie auf ihre sozialkritischen Aspekte hin. Keine Verführungskünste trickreicher Altersgenossinnen waren da imstande, den jungen Mann zu bewegen, sein Glück zu gefährden.
Davon konnte Cheng die Geschäftsfrau überzeugen, die ihm daraufhin einen Scheck überreichte, der großzügiger war als vereinbart, und die ihn bat, vollkommenes Stillschweigen zu wahren und das gesammelte Material, welches einzig die Harmlosigkeit des progressiven Poeten bewies, zu vernichten.
Und dieses Material wärmte nun seine Füße. Eine gesunde Wärme, eine moralisch gesunde Wärme, dachte Cheng, der viel von Treue hielt (was ihm ebenfalls als typisch chinesisch ausgelegt wurde).
Das Telefon läutete. Cheng sah es enttäuscht an. Er hatte gehofft, daß der Schnee auch die Telefonverbindungen lahmlegen würde. Niemand zwang ihn, den Hörer abzuheben. Und daß er es dennoch tat, ärgerte ihn.
»Detektei Böhm«, sagte er mit einer so gedehnten, undeutlichen und abwehrenden Stimme, als wäre er die Rathausinformation.
Der Anrufer fragte nach, ob er mit Herrn Böhm persönlich spreche. Cheng überlegte, wie er sich eine ganze Crew von Mitarbeitern vorzustellen habe, aber ihm gelang kein Bild. Er war nun mal ein Einzelkämpfer.
»Das tun Sie, mein Name ist Böhm.« Eigentlich hatte Cheng wenig Lust, schon wieder einen Auftrag anzunehmen. Aber vielleicht war dies ohnehin das lang ersehnte Ende der Welt, denn es hörte nicht zu schneien auf. Cheng, der im Prinzip nicht an Gott glaubte, dachte daran, wie vornehm sich Gott verhielt, indem er diese Stadt nicht einfach ausdrückte oder zuspuckte, wie sie es eigentlich verdient hätte, sondern in einen weißen Traum verwandelte, in dem freilich früher oder später alles zugrunde gehen würde.
»Hier spricht Oberstleutnant Straka, Mordgruppe drei«, sagte die Stimme, deren Besitzer man sich voluminös vorstellte. Aber Straka hatte den Abend zuvor wieder einmal zuviel geraucht. Zwar rauchte er immer erst ab fünf Uhr nachmittags, aber dann wurden dennoch zwei bis drei Päckchen Finlandia daraus. In Wirklichkeit war er ein schlanker, sportlicher Mann, wenngleich seine Vorliebe für Fußball, Boxen und Tennis sich immer mehr auf den Fernsehapparat konzentrierte. Vor dem er freilich meistens einschlief. Seit ein paar Jahren brauchte er viel zuviel Schlaf, ohne daß sich dies durch eine Krankheit erklären ließ. Was ihm peinlich war, da er wie jeder Mensch im Klischee seines Berufes feststeckte; und aus irgendeinem butterweichen Grund galten Polizisten als Menschen, die nicht nur nie ins Bett kamen, sondern auch keinen Schlaf benötigten.
»Was kann ich für Sie tun, Herr Oberstleutnant?«
»Sie kennen einen Ranulph Field?«
»Ja, ich habe etwa vor einem halben Jahr für Herrn Field gearbeitet. Nur einen Monat lang. Keine aufregende Sache.«
»Herr Böhm, ich würde gerne bei Ihnen vorbeikommen, wenn sich das einrichten läßt.«
»Ich gehe sicher nicht außer Haus. Man muß schon verrückt sein, an so einem Tag sein Ofenplätzchen zu verlassen.«
»Nun, ich bin so verrückt.«
Etwa eine Stunde später stand Straka in der Tür. Er trug einen knallroten Skianorak mit der Aufschrift Steirisches Kürbiskernöl und eine Wollmütze der Österreichwerbung, entsprach also nicht
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