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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Denkens fast immer darin, irgendwann ästhetisch so unanfechtbar zu sein, um zumindest mit einem Staatspreis, einer Professur, irgendeinem blöden Ring oder zumindest mit einer schmerzlosen verbalen Attacke durch die Reaktion (der streng genommen Attackierender wie Attackierter angehören) belohnt zu werden.
    Natürlich wurde Berti seinen Sonderschulstatus nicht los. Er hätte jeden primitiven Intellektuellen in die Tasche stecken können, aber die Leute hielten ihn eben für einen Idioten. Derzeit arbeitete er für einen Hungerlohn bei einem Gemüsehändler, natürlich nicht im Verkauf, weil man dies dem Sonderschüler Berti nicht zutraute, sondern als Packer und Verteiler (die Aufgabe des Verteilers war es, das alte Gemüse zwischen das frische zu verteilen). Hin und wieder arbeitete Berti für Cheng, da es Fälle gab, wo ein tatsächlich gebildeter und denkfähiger Mensch vonnöten war.
    Berti war gerade dabei, eine Ladung zerquetschter Tomaten mit Hilfe einiger intakter Exemplare kunstvoll zu arrangieren, als der Gemüsehändler ihn zu sich rief und ihm das Handy mit einem Blick in die Hand drückte, der besagte, daß diesem lieben, zarten Handy nichts passieren dürfe.
    »Hallo Berti, ganz kurze Frage. Was sagt dir St . Kilda? «
    »Nicht viel. Spontan fällt mir da nur diese kleine Insel ein. Gehört zu den Hebriden. Die westlichste oder zumindest eine der westlichsten. Liegt ein ganzes verdammtes Stück Wasser zwischen St. Kilda und den Äußeren Hebriden. Sonst gibt es da eigentlich nichts drüber zu sagen, scheint nicht der Ort für einen Urlaub zu sein. Sonst noch was, wir haben nämlich gerade eine Ladung angefaulter Tomaten bekommen.«
    »Okay, danke dir, Berti, ich werde mich bei dir melden, wenn ich einen Job habe.«
    Cheng legte auf und dachte nach. Wo lagen bloß diese Hebriden? Er hatte in Anwesenheit von Ran nicht fragen wollen.
    »Also Ran, St. Kilda ist eine Hebrideninsel. Können Sie damit etwas anfangen? Vielleicht einmal dort gewesen?«
    Ran, schließlich ein Zoologe und kein Erdkundler, wußte auch nicht so genau, wo denn diese Hebriden lagen. Natürlich, als Australier kannte er die Neuen Hebriden, aber wo lagen die Äußeren, wahrscheinlich britisch oder ehemals britisch, aber das konnte ja überall sein. Mit der Zeit vergißt man die einfachsten Dinge. Und wer sieht sich schon Landkarten an, wenn er selten auf Urlaub fährt.
    »Bin nie dort gewesen«, sagte Ran.
    »Haben Sie vielleicht in Ihrer Funktion als Wissenschaftler damit zu tun gehabt? Ich weiß ja nicht, was dort für Viecher kreuchen und fleuchen.«
    Nun, was für Viecher kreuchen und fleuchen auf den Hebriden?
    Das fragte sich Ran auch.
    »Mein Gott, natürlich: Westküste von Schottland.« Ran hatte es beinahe hinausgeschrien und sich dabei mit der Hand an die Stirn gegriffen, wie ein Schüler, dem endlich die Antwort eingefallen war und der sich nun beeilte, dem Lehrer zuvorzukommen, der ja die Antwort kannte, und ein jeder Lehrer stellt Fragen ja nur in der Hoffnung, die zuvor nachgelesenen Antworten selbst zu geben.
    Aber auch Cheng war heilfroh. Westküste von Schottland, aber sicher, daran hatte er nie gezweifelt. Er schlug die Karte Britische Inseln auf, und da lagen überdeutlich die Hebriden und nicht ganz so deutlich der winzige Ring, der St. Kilda darstellen sollte, tatsächlich mit einer Menge Atlantischer Ozean rundherum.
    »Ich habe nie mit den Hebriden zu tun gehabt«, bekräftigte Ran, »meine Spezialität sind Verhaltensstörungen bei Haustieren, fette, dämliche Kläffer mit Depressionen und Wutanfällen, Übergewicht, Eßstörungen, Haarausfall. Durchgehend echte Mitteleuropäer.«
    »Na gut. Vielleicht soll es auch etwas völlig anderes bedeuten. Da kommen wir schon noch drauf. Wenn Sie überhaupt wollen, daß ich draufkommen soll.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ob Sie mir den Fall übertragen. Das ist ja noch nicht heraus. Tausend pro Tag. Dafür tue ich auch nichts anderes, als mich um Ihre Probleme zu kümmern. Spesen extra, ich meine nicht Zigaretten und Verfolgungsjagden im Taxi, sondern falls es nötig sein sollte, nach St. Kilda zu fliegen oder zu rudern oder was weiß ich.«
    »Na, das wird hoffentlich nicht der Fall sein. Also gut, Cheng, ich finde das zwar ziemlich überzogen, weder haben Sie einen besonderen Ruf, noch werden zu meinem Schutz Männer aus Stahl aufmarschieren, und wahrscheinlich sind Sie mit keinem einzigen Staatspolizisten befreundet und lassen Ihre Filme im Supermarkt entwickeln.

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