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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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hin, die sich aus einem Feuerzeug des ÖAAB zur Arbeiterkammerwahl quälte.
    »Wir haben ihn gestern tot in seiner Wohnung aufgefunden. Er war seit drei Tagen nicht zur Arbeit gekommen. Eine gewisse Barbara Gregor hat uns benachrichtigt. Seine Verflossene, was Ihnen ja bekannt sein dürfte. Die Gregor hatte noch einen Schlüssel. Und unser Professor Edlinger hat sie in Fields Wohnung geschickt, um einmal nachzusehen, ob sein Assistent sich dem Suff ergeben habe. Nun, sein Assistent hatte ein Einschußloch zwischen den Augen und war seit drei Tagen tot. Gut, so was kommt eben vor. Ungewöhnlich war bloß, daß in diesem Einschußloch ein kleines Papierröllchen steckte. Sie kennen das ja – die meisten Mörder sind geradezu versessen darauf, Spuren, Hinweise und Rätsel zu hinterlassen. Ich weiß nicht, ob die Leute das aus dem Fernsehen haben. Auf jeden Fall hat das eindeutig zugenommen, etwa daß die Leute mit dem Blut ihrer Opfer irgend etwas an die Wand kritzeln. Vorletzte Woche haben wir so einen überführt, Legastheniker. Na gut, bei unserem aktuellen Fall dürfte es schwieriger werden. FORGET ST. KILDA stand auf dem Zettel. Können Sie damit etwas anfangen?«
    »Bedingt. Nach einem Besuch dieser mysteriösen Frau hat Ran einen Zettel an seinem Badezimmerschrank entdeckt: REMEMBER ST. KILDA. Er selbst hat damit überhaupt nichts anfangen können. St. Kilda ist eine Insel, die zu den Äußeren Hebriden gehört, das ist es auch schon. Ran ist nie dort gewesen, hat ja nicht einmal den Namen gekannt. Und im Zuge meiner Untersuchungen bin ich auf niemanden gestoßen, der in irgendeiner Verbindung zu dieser Insel stand. Natürlich könnte St. Kilda etwas anderes bedeuten. Aber da habe ich nicht einmal den Schimmer einer Ahnung.«
    »Ja, wir kommen in diesem Punkt momentan auch nicht weiter. Der Hinweis des Täters scheint nicht gerade hilfreich. Eher das Gegenteil. Wenn wir den Zettel nicht hätten, täten wir uns leichter. Zudem ist Field australischer Staatsbürger, das macht die Sache auch nicht einfacher.«
    Straka wollte nun doch einen Kaffee. Der würde seinen Magen auch nicht umbringen. Während das Wasser durch den Filter sickerte und sich in eine recht schwächliche Interpretation von Kaffee verwandelte, wollte Straka wissen, ob Cheng etwas über die Person herausgefunden hatte, von der Field angeblich verfolgt worden war.
    »Nicht das geringste. Nachdem ich den Auftrag angenommen hatte, ist sie noch zweimal bei Ran aufgekreuzt. Dann war der Spuk vorbei, ohne ersichtlichen Grund, so wie er auch begonnen hatte. Eigentlich habe ich mich bloß um die Affäre Edlinger gekümmert. Um ehrlich zu sein, ich hatte den Eindruck, Ran leide unter Verfolgungswahn. Die Verleumdung konnte genausogut von einem Kollegen stammen. Die geheimnisvolle Lady habe ich schlußendlich für ein Phantom gehalten.«
    »Das Einschußloch ist auf jeden Fall echt. Ich hätte gerne, daß Sie sich die Leiche einmal ansehen. Am besten sofort, wenn das irgendwie möglich wäre.«
    Cheng sah aus dem Fenster. Es schneite noch immer. Der Sturm aber hatte sich gelegt. Die Schneeflocken besaßen ein beträchtliches Format, ganze Wattepackungen schaukelten durch die Luft. Die Lerchenfelder Straße lag vollständig bedeckt unter einer Schneedecke. Der letzte 46er hatte sich auf der Thaliastraße seinem Schicksal ergeben. Der Schnee war wie ein Todesurteil über diese Stadt hereingebrochen. Und Cheng fand es lächerlich, das zu ignorieren und viel Aufhebens um eine Leiche zu machen.
    »Können wir gehen?« fragte Straka und stand bereits wieder in der Tür. Sein Skianorak leuchtete wie das Gewand der La Gravida von Raffael und sah auch genauso plump aus.
    Als sie nach einiger Mühe endlich auf der Straße standen (wie vieles wehrte sich die Haustür gegen das Fortbestehen des Alltäglichen), fand Straka seinen Wagen nicht gleich, da dieser trotz der kurzen Parkzeit vollständig von einem Schneemantel umhüllt war. Sie beschlossen, das Auto stehenzulassen. Denn zumindest auf der Lerchenfelder Straße hatte die MA 48 den ungleichen Kampf aufgegeben. Die Hausmeister waren die ersten gewesen, die die Sinnlosigkeit ihres ohnedies schwachbrüstigen Aufbegehrens eingesehen hatten, weshalb Straka und Cheng auf den Fußwegen nur langsam vorwärts kamen und bald auf die leere Fahrbahn wechselten, auf der sie aber ebenso einsanken. Cheng, eher ein unsportlicher Typ, der den Winter prinzipiell nicht im Freien verbrachte, hatte bloß Halbschuhe an, in die das

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