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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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gerade dem, was man sich unter einem Oberstleutnant der Kriminalpolizei vorstellt.
    Straka fragte Cheng, der sich erhoben hatte, wo er Herrn Böhm finden könne.
    »Das bin ich«, sagte Cheng.
    Straka machte ein verdutztes Gesicht.
    »Böhm heißt meine Geschiedene. Mein Name ist Cheng. Aber für das Geschäft ist es besser, wenn die Agentur unter dem Namen Böhm läuft.«
    »Ihr Deutsch ist akzentfrei«, sagte Straka, der selbst sehr darauf bedacht war, nicht in jenen Dialekt zu verfallen, der Teil seiner Kindheit in Favoriten gewesen war.
    »Ich bin geborener Österreicher.«
    Nun, so etwas kommt hin und wieder vor, dachte sich Straka, der prinzipiell nichts dagegen einzuwenden hatte, daß Chinesen nicht nur in China auf die Welt kamen. Dennoch fiel es ihm nicht leicht, sich so jemanden als Landsmann zu denken. Denn er fragte Cheng, woher aus China er denn stamme.
    »Aus Wien«, sagte Cheng und vermied es zu lächeln, nur um kein Vorurteil zu bestätigen.
    »Oh, natürlich, ich meinte eigentlich Ihre Eltern.«
    »Aus Wuhan. Aber sie sind schon vor einigen Jahren gestorben. Kurz hintereinander, wie Menschen das eben tun, die sich nicht loslassen können. Sie liegen jetzt auf dem Zentralfriedhof.«
    Straka dachte nach, wie es wohl wäre, wenn seine Eltern einst in Wuhan begraben wären. Nun, es wäre wohl ziemlich gleichgültig.
    Cheng bot Straka einen Sessel an und fragte, ob er Kaffee wolle.
    »Eigentlich lieber Tee, wegen dem Magen.«
    Aber Cheng hatte keinen Tee, was Straka nun doch irgendwie komisch fand.
    Cheng bot Straka eine Zigarette an.
    »Erst ab fünf Uhr.«
    »Sehr vernünftig.«
    »Aber wenn ich schon auf den Kaffee verzichte, dann nehme ich vielleicht doch eine Zigarette.«
    »Auch vernünftig«, sagte Cheng und fragte sich, ob das nicht viel zu ausgleichend chinesisch klang.
    »Nun, Herr Cheng, warum ich zu Ihnen gekommen bin …«
    »Es geht um meinen ehemaligen Auftraggeber, Ranulph Field?«
    »Um was für eine Art von Auftrag hat es sich da gehandelt?«
    »Keine große Sache. Aber Sie wissen doch, daß ich nicht einfach darüber reden kann.«
    »Wenn der Auftraggeber tot ist, können Sie das sehr wohl.«
    »Ran ist tot?«
    »Waren Sie so gut befreundet, daß Sie ihn Ran nannten?«
    »Wir sind hin und wieder etwas zusammen trinken gegangen. Und immer Herr Field zu sagen und Herr Cheng ist doch ziemlich umständlich. Aber von Freundschaft zu sprechen wäre eine Übertreibung. Ich habe ihn ja auch nach Beendigung des Auftrags nicht mehr wiedergesehen.«
    »Also, worin bestand dieser Auftrag?«
    »Ran hat sich verfolgt gefühlt. Das heißt, er hat tatsächlich einige Male nächtlichen Besuch von einer ihm unbekannten Frau erhalten. Da ist nichts passiert, aber es hat ihm einen verständlichen Schrecken eingejagt, wenn die Dame in seinem Badezimmer aufkreuzte und dann gleich wieder verschwand. Dazu Telefonanrufe mit eher unpräzisen Drohungen. Und er war überzeugt, daß selbige Person verleumderische Gerüchte über ihn in die Welt setzte. Er hätte deshalb fast seinen Job verloren. Das war eigentlich mein einziger Erfolg in dieser Sache, daß ich seinen Vorgesetzten, einen Professor Edlinger, dem das Gerücht zu Ohren gekommen war, Ran hätte eine Affäre mit seiner Frau, überzeugen konnte, daß seine Frau zwar tatsächlich fremdging, aber eben nicht mit Ranulph Field. Eigentlich sehr unangenehm, das war ja nicht mein Auftrag, Frau Edlingers eheliche Verfehlungen bloßzulegen. Glücklicherweise hat der Professor seiner Frau schließlich verziehen. Sie wissen schon, große Geste und so. Die beiden verstehen sich jetzt besser denn je. Es gibt Beziehungen, die benötigen so eine Art heilsamen Schock.«
    »Und wer war das, der damals im Bett der Frau Professor gelegen ist?«
    »Hat das mit Rans Tod zu tun?«
    »Wahrscheinlich nicht. Aber ein ›Wahrscheinlich‹ kann ich mir nicht leisten. Also bitte, Herr Cheng, Sie wissen doch, wie das läuft.«
    »Entschuldigen Sie, Herr Oberstleutnant. Aber ich möchte wirklich nicht darüber sprechen. Eine dumme Bettgeschichte, wie das eben vorkommt. Und Frau Edlinger ist mir auch noch dankbar, daß ich ihren kleinen Fauxpas aufgedeckt habe. Ihre Ehe könnte derzeit nicht besser laufen. Die Welt ist eben verrückt.«
    »Mitunter ist sie das«, sagte Straka und bat um eine weitere Zigarette, denn im Grunde ist es ja immer nach fünf Uhr.
    »Vielleicht kommen wir weiter, Herr Oberstleutnant, wenn Sie mich ein wenig aufklären«, sagte Cheng und hielt Straka die Flamme

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