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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Bett kam, in dem er nun aufrecht saß, war ihm die Erkenntnis wie ein sich schnell ausbreitender Schaum in alle Körperöffnungen getreten, was zu erheblichen Atemproblemen führte und zu einem Schweißausbruch, wie ihn Gregory Peck in Die 27 . Etage angesichts einer Pistole an seiner Schläfe erleidet.
    Anstatt erst einmal aus dem Bett zu springen, suchte Cheng verzweifelt den Schalter der Bettlampe. Ein recht merkwürdiges, eigentlich unerklärliches Verhalten, da dieses Bett nie eine Bettlampe besessen hatte (weil es ausschließlich dem Schlaf diente).
    Was Cheng nun auch wieder einfiel, weshalb er also doch aus dem Bett sprang, auf den kalten Parkettboden. Chengs Schlafzimmer war stets ungeheizt. Und als er nackten Fußes, bloß mit einem überlangen T-Shirt mit der Aufschrift Escada For Suicides bekleidet, auf dem tatsächlich eiskalten Parkettboden stand und verwirrt und unschlüssig durch die ziemlich vollkommene Schwärze des Zimmers taumelte und noch immer die Stimme vernahm, da meinte er den Hauch des Todes zu spüren, und wie ja auch so oft behauptet wird, war dieser Hauch eher eisig. Aber das war eben auf die Zimmertemperatur zurückzuführen, in einem geheizten Zimmer wäre dieser Hauch ein warmer gewesen, so einfach war das. Was die Sache eher schwierig machte, war der Umstand, daß Cheng – hochgradig nervös und halb erfroren – den Lichtschalter nicht fand. Als er nun an der Wand sich vortastend auf die andere Seite des Zimmers gelangte, da fiel ihm die Digitalanzeige auf, deren rotes Licht im Dunkel, dort wo das Bett stand, schwebte. Und in diesem Moment noch vager Erleichterung schlug seine zittrige Hand zufällig auf den Schalter, und das Deckenlicht erhellte das Ungewisse. Auf dem Bett lag ein winziges Sony-Diktiergerät mit einer angeschlossenen Box mit Digitalanzeige. Das Ding sah aus wie ein Zeitzünder, aber die Anzeige war schon vor einiger Zeit stehengeblieben, exakt um drei Uhr fünf und hatte nichts anderes ausgelöst, als daß die Mikrokassette sich in Bewegung gesetzt hatte und seither aus dem Lautsprecher die Stimme einer Frau drang, die offensichtlich einige Befriedigung daraus zog, die Belastbarkeit männlicher Nervenkostüme auszureizen.
    Cheng drückte auf die Stoptaste. Und genau in dem Moment, in dem er das tat, mußte er an die Bombe denken, auf die er so oft zugestrebt war, anstatt sich von ihr zu entfernen. Aber eine Explosion blieb aus – und das war doch ein gewisser Trost, daß sich diese Situation und also dieses ganze Leben nicht wiederholen würde. Wie im Traum kam jedoch gleichzeitig die Angst vor dem, was nun noch folgte.
     
    Cheng war nicht mehr ins Bett gegangen und hatte bei aufgedrehter Schreibtischlampe (sehr zur Freude Batmans) und klassischer Musik die Nacht auf seinem Bürosessel verbracht.
    Nun saß er in seiner winzigen Küche und sah mit Schlagringen unter den Augen dem Toaster beim Toasten zu. Was der Toaster zustande brachte, erinnerte an eine düstere Materialcollage von Joseph Beuys. Aber Cheng hatte sowieso keinen Hunger, schlürfte seinen Kaffee und sah auf Batman, mit dessen Appetit es zum besten stand und der sich den zweiten Teil der Dose mit einer Rasanz einverleibte, als lauerten die beinlosen Kartäuser um die Ecke.
    Cheng spekulierte, wie trotz vorgelegter Kette jemand hatte eindringen können, um ihm das Diktiergerät unter die Decke zu schieben. Oder war es dort schon viel länger gelegen, und er hatte es bloß übersehen, als er schlafen gegangen war? Und warum sollte er sich an St. Kilda erinnern? Oder bedeutete das bloß, daß er – indem er den Auftrag Rans übernommen hatte – nun für immer mit dieser Angelegenheit verbunden war, ein Mitglied der Familie?
    Er beschloß, daß es unklug wäre, nach Schlagholzl zu fahren. Und wenn das schon unbedingt sein mußte, daß es unklug wäre, niemand Kompetenten davon zu informieren. Man kennt das ja, man sitzt dann in irgendeiner unmöglichen Situation und wäre sofort bereit, ein Jahresabonnement der Zeitschrift Der Wachbeamte zu bestellen, nur um solcherart einen Bullen herbeizuzaubern. Also rief er bei der Mordgruppe an. Aber Straka war natürlich nicht anwesend, schließlich schrieb man den 25. Dezember, und Straka hatte Familie, so wie man Pech hat oder Karies oder dreckige Ohren. Der Beamte versicherte, er werde den Oberstleutnant benachrichtigen.
    Cheng füllte Koks in den Ofen, dabei spürte er einen Schmerz im Rücken, und das erinnerte ihn an all die bedauernswerten Figuren, die

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