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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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alleine, sagte sie mit der abwehrenden Miene einer Frau, die es satt hatte, der halben Welt zu erklären, warum es bessere Lebensumstände gab, als einen Mann zu beherbergen. Lauscher schenkte Irene einen melancholischen Blick, der dort einschlug, wo gute Menschen ihr schlechtes Gewissen haben. Das Ausführen Lauschers sei wirklich nicht das Problem, erklärte Irene, auch nicht seine Haare oder sein Gestank, sie fürchte vielmehr, daß Batman Lauscher nicht akzeptieren werde. Sie selbst finde Lauscher eigentlich süß, allein diese Ohren. Auch Lauscher fand Irene süß, wenngleich ihm derartige Emotionen im Grunde fremd waren.
    »Na gut, komm auf einen Kaffee herein, und wir schauen uns einmal an, wie sich die beiden Herren vertragen.«
    Lauscher marschierte durch den großen, hellen Wohnraum, auf die rote Liege der Mailänder Designertruppe Macinato (Hackfleisch) zu, welche ausgezeichnet mit einem Schüttbild Hermann Nitschs korrespondierte, was auch Lauscher nicht verborgen blieb, der so schlecht auch wieder nicht sah, ihn aber naturgemäß wenig kümmerte. Was ihn kümmerte, das war, daß die Liege recht gemütlich aussah und seine Müdigkeit beträchtlich war. Was ihn allerdings auch noch kümmerte, war der Umstand, daß er auf dem Weg zu dieser Liege eine schwarze Katze passieren mußte. Er war nicht abergläubisch, sondern bloß vorsichtig. Ihr großräumig auszuweichen wäre sinnlos gewesen, soviel war klar. Als sich die beiden auf gleicher Höhe befanden, fauchte Batman, und gar keine Frage, kein hörendes und sehendes Wesen wäre imstande gewesen, dieses Fauchen zu überhören und zu übersehen. Aber Lauscher sah starren Blickes auf die Designerliege; und da er nicht hören konnte, wenn er nicht hören wollte, blieb er gelassen. Vielleicht war Batman beeindruckt vom naiven Vertrauen dieses Hundes, oder er fand, daß eine derart lächerliche Gestalt es nicht verdiente, länger bedroht zu werden, auf jeden Fall sprang er wieder auf seinen Lieblingsplatz, einen mit frisch gewaschenen Handtüchern bedeckten Beistelltisch (und Batman war eitel genug zu glauben, diese Unmengen weißen Frottees würden bloß gewaschen, damit er seine Freude daran habe), und sank wieder zurück in einen Schlaf, den man sich nicht verdienen konnte.
    »Also gut, ich nehme ihn«, sagte Irene, »aber nicht länger als eine Woche. Was treibst du eigentlich ausgerechnet in Las Vegas? Spielst du jetzt auch noch?«
    Cheng erklärte, er müsse Recherchen anstellen.
    »Du kriegst noch immer Aufträge?«
    Das war ihr so herausgerutscht und tat ihr natürlich leid. Cheng grinste und meinte, daß ein behinderter Detektiv sich nicht erst umständlich tarnen müsse. Daß er ohne Auftrag nach Las Vegas flog, erzählte er nicht.
    Als Irene damit anfing, seine Flugangst zu erwähnen und daß sie es großartig finde (wie um den vorherigen Fauxpas auszubügeln), daß er sich überwunden habe und wieder in einen Flieger steige, eingesperrt wie in ein Überraschungsei, umgeben von unsympathischen, mitteilsamen, stinkenden Menschen, umhegt von uniformierten Damen, die noch immer aus den Horrorfilmen der fünfziger Jahre zu stammen scheinen, in den Ohren das Dröhnen, als fahre man geradewegs durch einen Tunnel in die Hölle, dazu Luftlöcher, Blitzschlag und schneeverwehte Landebahnen, einmal abgesehen von Wartungsfehlern, verirrten Jagdbombern, moslemischen Fundamentalisten, alkoholisierten Piloten … als Irene also davon anfing, gab ihr Cheng den obligaten Kuß auf die Stirn, wünschte dem schlafenden Lauscher eine schöne Woche (Lauschers hypersensibles Gehörorgan vibrierte) und verließ eilig die Wohnung.
     
    »Dieser Erwin Chaloupka ist neunundsechzig nach Kanada ausgewandert und zwei Jahre später in die Staaten weitergezogen. Jahrgang achtunddreißig, keine Vorstrafen, zumindest nicht, solange er in Österreich gelebt hat. Abgebrochenes Jusstudium, Hilfsarbeiter bei einem Steinmetz, freier Journalist, Assistent eines Restaurators und hin und wieder Kellner im Café Museum. Einer von den vielen, die sich irgendwie durch die sechziger Jahre geschwindelt haben. War einmal verheiratet, hat sich aber bald wieder scheiden lassen. Die Frau ist vor sechs Jahren bei einem Autounfall gestorben, die Tochter ist sechsundachtzig nach Deutschland und ziemlich schnell von der Bildfläche verschwunden. Tja, das ist alles, was ich Ihnen momentan bieten kann.«
    Es war erst drei Uhr am Nachmittag, aber Straka baumelte bereits die fünfte Zigarette aus dem Mund.

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