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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Zufriedenheit verbreitet. Ich bin nicht hier, um Sie zu erpressen, Frau Lukaschek. Diese Angelegenheit interessiert mich nicht. Ich bin hier, weil ich Sie bitten will, mir etwas über dieses Foto zu sagen, falls Ihnen das möglich ist. Ich habe es in Geisslers Zimmer gefunden.«
    Die Witwe nahm die Fotografie in die Hand, als würde sie das Gewicht schätzen, vielleicht das Gewicht der posthumen Bedeutung Geisslers. Jetzt, da Cheng zugesagt hatte, keine Aussage zu machen, konnte Geissler nicht mehr viel wiegen.
    »Ich kann nicht wirklich sagen, wie alt dieses Foto ist, vielleicht fünf, sechs Jahre. Ich kannte Robert zu dieser Zeit kaum. Er war eben einer von denen, die mein Mann regelmäßig zur Jagd einlud. Ich habe diese ganze schießwütige Gesellschaft nicht ausstehen können. Hohlköpfe, aber kaltblütig. Mächtige Hohlköpfe, besessen von der Idee, auserwählt zu sein. Wahrlich ein exklusiver Club. Kretins mit Büchsen.
    Irgendwann hat Robert begonnen, mir nachzusteigen – lästig, klebrig, wie eben einer, der sich für großartig hält. Ich habe von Anfang an damit spekuliert, daß mich Robert auf welche Art auch immer von meinem geliebten Gatten befreien wird, da gibt es nichts zu beschönigen. Aber ich geniere mich auch nicht dafür; ich habe ein Schwein durch ein anderes beseitigen lassen. Und offensichtlich sehen Sie das ähnlich. Aber ich schweife ab, entschuldigen Sie. Sie wollten etwas über das Foto wissen. Ich habe selbst einmal Robert danach gefragt. Ein merkwürdiger Gesichtsausdruck, melancholisch, fand ich, und Robert war nun alles andere als ein melancholischer Typ. Er erzählte, daß er damals mit seinem Freund Henry in Las Vegas gewesen war, Henry Irgendwer. Wahrscheinlich sein Partner am Pokertisch. Robert sprach ungerne darüber, aber er war ein besessener Kartenspieler, sein Spieltrieb war pathologisch. Er flog mehrmals im Jahr nach Vegas. Und hat dort den Besitzer einer Bar kennengelernt, einen ausgewanderten Wiener, Erwin Chaloupka, der behauptete, in der Hauptsache Schriftsteller zu sein und sein Lokal nur zu betreiben, um die Menschen wie in einem Käfig zu beobachten. Robert meinte, dieser Chaloupka sei ein Verrückter, ein kleiner Gauner, ein großer Quatschkopf, aber sicher kein Schriftsteller. Merkwürdigerweise hat er aber zuletzt nach einem Buch gesucht, das dieser Chaloupka geschrieben haben soll.«
    » St . Kilda? «
    »Ja, das war der Titel, wie der Name seiner Bar. Ich habe zugehört, als Robert mit einem Buchhändler telefonierte. Ich fand das recht eigenartig, schließlich hat er ja bezweifelt, daß dieser Chaloupka je ein Wort aufs Papier gebracht hat. Robert war nervös in letzter Zeit. Nicht, daß ich behaupten kann, es hatte etwas mit Chaloupka zu tun, aber seine Nervosität war ungewöhnlich. Und dann wird der Mann auch noch panisch, greift zur Waffe und will mich erschießen – in einem Haus mit zweihundert Leuten. Unglaublich!
    Der Robert hat sich nicht mehr im Griff gehabt. Und denken Sie bloß nicht, weil ihm die Tötung meines Mannes so zu Herzen gegangen ist.«
    »Und wer ist Henry?«
    »Auch das war merkwürdig. Ich habe ihn nach diesem angeblichen Freund gefragt, ich meine, ohne wirkliches Interesse. Daraufhin ist er laut geworden, hat gemeint, das gehe mich einen Dreck an. Das war nicht typisch für Robert, so ungeschickt zu sein, einer Frage derart auffällig auszuweichen. Er mag ja ein Spinner gewesen sein und als Arzt eine mittlere Katastrophe, aber er war ein gewiefter Rhetoriker und dazu eiskalt, und das war also schon recht eigenartig, daß meine Frage nach diesem Henry ihn so aus der Fassung brachte. Andererseits ist es doch auch seltsam: ein solches Foto herumliegen zu lassen, ich meine, ein Foto, das einen dermaßen verunsichert.«
    »Das würde einem unbewußten Wunsch nach Entdeckung entsprechen, vielleicht sogar dem Wunsch, für eine Tat bestraft zu werden, weil sie erst durch die Bestrafung einen Sinn erhält.«
    Was rede ich da bloß zusammen, dachte sich Cheng, Vulgärpsychologie, und er nahm es gleich wieder zurück. Frau Lukaschek aber meinte, daß der Wunsch nach Entdeckung für sie recht plausibel klinge. Jetzt sei eben nur die Frage, was es zu entdecken gebe. Eine Frage, die sie aber nicht wirklich interessiere. Geissler, Lukaschek, die ganze Partie, sie werde versuchen, diese Leute, diese Zeit zu vergessen, so gut das eben gehe und soweit man sie eben lasse.
    » Ich werde Sie lassen«, sagte Cheng und pfiff nach Lauscher, der doch

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