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Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)

Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)

Titel: Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Kamp
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eilig an. Ob mein Vater Neuigkeiten hatte? Ich heftete meine Finger an die kühle Emaille des Waschbeckens und besah mich eingehend in dem silbernen Prunkspiegel des marmornen Bads. Das weiße Wollkleid ließ mich noch unwirklicher schimmern. Meine Haut hatte immer noch einen zarten Perlmuttglanz und meine Haare waren selbst jetzt, wo sie noch nass zu einem Knoten gedreht waren, sehr hell. Meine goldbraunen Augen standen in totalem Kontrast zu ihnen. Je mehr ich in meiner Spiegelung versank, desto mehr wurde ich das Gefühl nicht los, dass mich mein Spiegelbild beobachtete. Ich kniff die Augen zusammen und trat zurück, versuchte, genauer hinzusehen. Während ich grübelnd eine Hand an meine Wange führte, erstarrte ich – die Spiegelung blieb regungslos. Keine Hand an der Wange. Auch hatte sie nicht – wie ich – die Entfernung verändert. Mein Mund klappte auf, der meines Gegenübers nicht. Ein Lächeln schlich sich auf die Züge des Spiegelbildes, auf meine Züge, die doch nicht meine waren. Ich atmete flach. Der Spiegel fing an zu beschlagen. Konnte das sein? Ich kam näher an den Spiegel heran. Die Lippen meiner Spiegelung bewegten sich! Dann hörte ich sie in meinem Kopf. Laut und klar, die Stimme, die meine sein sollte und die es doch nicht war. Wie ein Hall, der erklang, bevor die eigentlich gesprochenen Worte einsetzten, stoben die Laute in mein Bewusstsein. Siebenundneunzig. Die Zahl wiederholte sich gefühlte hundert Mal und verklang abrupt, als die Spiegelung vom Wasserdampf ausgelöscht wurde. Ich löste die Hände vom Waschbecken, welches ich so fest umklammert hatte, dass sie schmerzten und trat wankend zur Tür. Betäubt stand ich da. Ich weiß nicht, wie lange. Sekunden? Minuten? Es klopfte energisch an der Tür. Ich riss mich vom Spiegel los und ging aus dem Bad. Die Dienstmädchen warteten noch immer im Zimmer und winkten mich hinter sich her. Gedankenversunken folgte ich ihnen in einen großzügigen breiten Flur, an dessen Wänden unzählige Ölgemälde hingen, zu einer herrschaftlichen Treppe. Sie schritten, eine voraus und eine neben mir her, die Treppe hinab und waren darauf bedacht, dass ich auf den Fuß folgte.
    Ich hatte kaum einen Blick für die Eleganz der Räumlichkeiten dieses Schlosses, für die Lüster über unseren Köpfen, die Stuckverzierungen und Wandmalereien. Wir schritten die mit rotem Teppich ausgelegten Treppenstufen hinab. Eines der Dienstmädchen schob mich vorwärts, als ich langsamer wurde. Meine Gedanken kreisten. Was hatte ich da erlebt? Ich war eine Hexe. Das stand fest. Ich hatte Kräfte entfesselt, über die ich noch nichts wusste. Aber was war es, das ich gesehen hatte? Sollte ich mit Ben darüber reden? Ja, das würde ich tun, sobald sich die Gelegenheit ergab, aber jetzt hieß es, den Kopf freizubekommen und sich auf das zu konzentrieren, was vor mir lag.
    »Wo sind wir hier?«, murmelte ich beeindruckt vor mich hin und sah mich weiter um. »Wir sind hier im Sommersitz von Sir William Gray.« Das jüngere Dienstmädchen sah mich mit so viel Stolz an, als müsste ich jetzt Ah! und Oh! sagen. Un gewollt runzelte ich nur die Stirn und folgte ihnen über den Flur, zu einer wuchtigen dunklen Eichentür. Sie klopften an und warteten auf ein Zeichen. Als ein lautes und herrisches Herein! ertönte, wurde ich in das Zimmer hineingeschoben. Mit einem Nicken verabschiedeten sich die Dienstmädchen und schlossen die Tür hinter mir. Ich dachte gerade, ich wäre allein in der Höhle des Löwen, als ich Ben entdeckte. Er saß vor dem Schreibtisch, drehte sich um und nickte mir zaghaft zu. Mein Vater stand hinter dem wuchtigen Ungetüm, ragte aber so hochgewachsen mit seinen breiten Schultern über ihm auf, das er kleiner erschien, als er tatsächlich war. Er neigte den Kopf leicht zur Seite, bedeutete mir mit einem knappen Nicken, das seine hellen blonden Haare wippen ließ, mich zu setzen. Er tat das mit soviel Autorität, dass ich mich fast sofort setzen wollte. Doch das ärgerte mich und ich blieb trotzig stehen.
    »Hanna, setz dich«, sagte er knapp und nickte mir ernst zu . »Danke, ich bleibe lieber stehen.« Ich reckte aufständisch das Kinn vor und kniff die Augen leicht zusammen. Leise Wut flüsterte in mir . Wenn er früher gekommen wäre , um mich zu holen , hätte er das S chlimmste verhindern können.
    »Das, was wir zu besprechen haben, könnte dauern und überraschend für dich werden. Ich denke, du wirst froh darüber sein, sitzen zu können.« Seine Stimme

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