Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Bergmann
Vom Netzwerk:
Angst verübte ich mein zweites, noch schlimmeres Verbrechen, denn diesmal tötete ich mit Absicht und um mich selbst vor Strafe zu schützen. Mit dem Katapult schleuderte ich die Unglücklichen hoch über den Fluss und ließ sie in seine Mitte stürzen. Das Wasser war kalt, die Strömung stark. Ich wusste, dass sie nicht schwimmen konnten. Sie würden mich nicht verraten. Bis zum Morgengrauen blieb ich in der Scheune, dann ritt ich zurück.
    Von meinen Umwegen und Finten will ich nicht berichten. Als ich nach Wochen heimkehrte, hatte ich eine Geschichte von Überfall, Mord und Flucht erfunden, die mir alle glaubten, weil ich elend genug aussah und jeder wusste, dass Emilio mein bester Freund gewesen war. Wochen danach traf der Brief eines Wiener Kaufmanns ein. Er verständigte die Familie vom Tod Emilios, der ein Empfehlungsschreiben an ihn bei sich getragen hatte. Emilios Habseligkeiten waren in seine Hände gelangt und er fragte, was er damit anfangen solle. Ein Verdacht gegen mich kam nicht auf. Meine Geschichte hatte alle äußeren Umstände gut bedacht.
    Ich unterstützte Emilios Familie darin, das Vermächtnis des Ermordeten zu erfüllen und nach Wien zu übersiedeln. Auch das tat ich aus Selbstsucht, denn ich ertrug es nicht, sie ständig um mich zu haben und neben ihrem Schmerz auch noch ihr Mitleid zu fühlen. Zum Glück gelang die Übersiedlung und wenn ich all die folgenden Jahre alles unternahm, um der Familie meines toten Freundes zu helfen, habe ich nicht mehr selbstsüchtig gehandelt, sondern aufrechten Herzens und um einen kleinen Teil meiner Schuld abzutragen.
    Dies ist, was ich zu sagen habe. Morgen werden das Katapult, die Schrift von Emilios Vorfahr, über die ich wenig weiß, und meine eigene Beichte versiegelt und verschlossen für viele Jahre.
    Danach werde ich sterben. Der Herr sei mir gnädig.
     
    Alexandro Parello, 18. Luglio 1738

19___
    Chiara ordnete ihre Gedanken. Was hätte sie von Alexandro Parellos Beichte gehalten, wenn Antonio nicht im gleichen Zimmer gesessen und mit dem Gegenstand, bei dem es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um Alexandros Katapult des Teufels handelte, gespielt hätte? Vermutlich nicht viel. Auch jetzt schien ihr die Geschichte reichlich phantastisch. Immerhin: Es gab dieses Ding, das auf die Berührungen ihres Freundes mit Blinken reagierte. Ob es noch mehr konnte, würde sich zeigen. Wenn es stimmte, was hielt sie dann von Alexandros Verhalten? Um Emilios Familie hatte er sich gekümmert. Wie er selbst betonte, aus unterschiedlichen Motiven. Die beiden Knechte erwähnte er dagegen mit keinem weiteren Wort. Allerdings gibt es auch heute Gesellschaften, in denen das Leben eines Knechts nicht viel zählt.
    Für ihn sprach, dass er das Katapult nie wieder einsetzte, obwohl die Versuchung groß gewesen sein musste. Oder hielt ihn nur seine Angst vor dem Flammentod davon ab? Chiara dachte an die Vision der Folterkammer, die sie im Keller gehabt hatte. Zur Zeit Alexandros hätte sie die Flammen auch gefürchtet. Plötzlich fielen ihr zwei Dinge ein. Die Aushöhlung, die sie bei ihrem zweiten Besuch im Keller entdeckte, hatte sich zu zwei Dritteln hinter der Wand befunden. Doch auf dem Boden davor lagen nur Steine und ein wenig Schutt, keine Erde. Also hatte es sich doch um eine Art Kammer gehandelt, wenn auch nur um eine kleine und höchst einfache, provisorische. Und sie hatte sich gebückt, um etwas aufzuheben. Wegen ihrer Beklemmung und Atemnot hatte sie ihrem Fund keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt. Chiara suchte in ihren Taschen und zog einen Knopf hervor. Ein schön gearbeiteter vergoldeter Knopf mit einem komplizierten Muster. Es war kein Knopf, wie man ihn heute verwendete. Antonio besaß keinen Internetzugang. Also würde sie zu Hause nachsehen, ob sie Näheres darüber erfahren konnte. Außerdem verspürte sie jetzt den Hunger eines langen Tages.
    Sie ging zu ihrem hageren Freund, der mit sehr wenig Essen auskam, und beobachtete seine Bemühungen.
    „Es gibt Kombinationen“, sagte er, ohne aufzublicken, „auf die er immer gleich reagiert. Und es kommt nicht nur darauf an, bestimmte Punkte zu treffen, sondern auch auf den Druck, den man ausübt und die Richtung des Drucks. Wer immer ihn oder es gebaut hat, auf einfache Bedienung kam es ihm nicht an.“
    Chiara bemühte sich, ihrer Stimme einen möglichst sachlichen Klang zu verleihen.
    „Ich habe Neuigkeiten. Dein Vorfahr nannte das Ding Katapult des Teufels. Er hat damit drei Leute umgebracht.

Weitere Kostenlose Bücher