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Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Bergmann
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Zelle. Die Bodendielen waren ausgetreten und dunkel, vom Alter geglättet. Durch die dünnen Strümpfe fühlte sie das kühle Holz. Auch die Mauern strahlten Kälte aus, sie begann zu frösteln und wickelte sich in die Decke, die an einigen Stellen durchlöchert und fleckig, doch zumindest groß und nicht allzu dünn war. Sie klopfte gegen die Seitenwände, in der Hoffnung, auf diesem Weg mit einem ihrer Gefährten Kontakt aufzunehmen. Ihr Klopfen wurde nicht erwidert. Durch die Fenster drangen jetzt die Strahlen der Nachmittagssonne. Chiara rückte den Polstersessel an die Wand neben dem Ofen, wo ein großes Viereck aus Licht und Wärme den kahlen Raum ein wenig freundlicher machte. Dort kauerte sie sich zusammen und schaffte es, mit Hilfe von Sonne und Decke die Kälte wieder aus ihrem Körper zu vertreiben. Von unten drangen manchmal Geräusche wie ferne Stimmen und das Schlagen von Türen, dann herrschte wieder Stille. Wie mochte es Elena, Ernst und Mike ergangen sein? Und Antonio, dessen letztes Lebenszeichen sie im Nest liegen gelassen hatte, wo es Mike den Weg nach Wien wies. Zu ihrem großen Glück, wie sie zunächst meinten. Doch von diesem Glück schien nicht viel übrig geblieben zu sein. Nach einer Weile verrückte sie den Sessel, um möglichst lange mit dem Sonnenviereck zu wandern. Schließlich befand sie sich direkt neben dem Ofen – und hörte eine Stimme, unmittelbar neben ihrem Ohr.
    „Gib‘ her.“
    Sie zuckte zurück, doch da stand niemand – sie hörte auch nichts mehr. Erst als sie den Kopf wieder in die vorherige Position drehte, erreichte sie ein weiterer Sprachfetzen.
    „...schmeckt grauenhaft. Wie Abwaschwasser. Haben wir keinen Wein?“
    „Doch.“ Eine andere Stimme. „Aber Fahed sieht das nicht gern.“
    „Fahed! Wäre der Prophet Italiener gewesen, dann hätte er nichts gegen ein Glas Wein einzuwenden gehabt ...“
    „Lästere nicht, Gianni!“
    „Ja, ja, schon gut. Mach‘ ihn einfach auf, okay?“
    Chiaras Zelle befand sich offenbar über dem Raum, in dem die Kidnapper sich aufhielten, wenn sie nicht gerade ihren kriminellen Geschäften nachgingen. Der Kamin leitete ihre Stimmen nach oben. Sie entdeckte ein großes Loch in dem rostigen Metallrohr, das vom Ofen in die Mauer ragte. Hier bahnte der Schall sich seinen Weg vom Erdgeschoß in die obere Etage. Das allerdings so spezifisch, dass bereits eine Bewegung von wenigen Zentimetern den Unterschied zwischen deutlichem Hören und unkenntlich leisen Stimmen ausmachte. Bestimmt hing es auch mit der Position der Sprechenden im unteren Zimmer zusammen. Chiara rührte sich nicht mehr weg von ihrem Posten, in der Hoffnung, etwas über ihre Freunde und ihre Zukunft zu erfahren. Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Männer sprachen kaum, dann verließen sie den Raum und lange Zeit herrschte Stille. Sie nützte die Zeit, um sich ein Sandwich und einen Fruchtsaft zu holen.
    Ob der A-Grav sich wieder – wie schon in Wien – in Luft aufgelöst hatte? Sie hoffte es, glaubte aber nicht daran. In dem Fall hätten die Typen längst versucht, aus ihr heraus zu bekommen, wo das Gerät steckte. Ein Schauer lief ihr bei dem Gedanken über den Rücken. Ihr seltsamer Schutzengel fiel ihr ein. Der Mann im hellen Mantel, der nachts auf einem Motorrad sitzend mit einem Spazierstock ein abgefeuertes Geschoß ablenkte. Plötzlich erinnerte sie sich daran, wo sie ihn zuvor schon einmal gesehen hatte: In ihrem Traum vom Untergang Atlantis‘! Er hatte sich unter den Männern befunden, die im großen Saal die fatale Entscheidung ihres Führers stoisch zur Kenntnis nahmen. Ein paar Tausend Jahre später saß er freundlich lächelnd in Florenz auf einer Bank, stellte durch verschlossene Türen ein blutverschmiertes Schreiben zu und raste in einer Eisnacht mit dem Motorrad durch die Alpen. Was er wohl gerade machte? Sie gestand sich ein, dass ihr ein bisschen Rettung wieder ganz gelegen käme. Aber die Zeit verstrich und kein neues Wunder geschah. Im letzten Abendlicht zog sie die Pritsche an den Sessel heran und bereitete sich ein Lager, auf dem sie halb sitzend schlafen konnte, ohne ihre Lauschposition aufzugeben. Für einige Minuten kehrten die Männer – sie unterschied vier Stimmen – in den unteren Raum zurück, doch sie redeten nur über das Essen. Dann verschwanden sie wieder. Es wurde kühler, doch nicht wirklich kalt. Die Decke genügte gerade. Der Mondschein warf den Schatten des Fenstergitters wie eine stumme Mahnung ihrer

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