Chicagoland Vampires 03 - Mitternachtsbisse
Zweifel daran, dass er mit diesem Trommelfeuer an wüsten Beschimpfungen umgehen konnte.
Nach einigen Minuten hob er die Arme. Als das nicht funktionierte, brüllte er –lein einziges Wort, aber mit Magie verstärkt – quer durch den Raum.
»Ruhe!«
In der Kirche wurde es schlagartig still. Als Gabriel wieder das Wort ergriff, konnte es keinen Zweifel daran geben, wer hier der Anführer war oder welche Konsequenzen es haben würde, wenn man ihm keine Beachtung schenkte.
»Ihr seid hier, weil die Rudel eine Versammlung einberufen haben. Wenn ihr wollt, dass die Angelegenheiten ohne eure Beteiligung entschieden werden, dann müsst ihr nicht hierbleiben. Jeder von euch, alle von euch, können aufstehen und diesen Raum ungestraft verlassen.« Er beugte sich über das Rednerpult. »Aber ob ihr nun bleibt oder nicht, ihr werdet den Weisungen der Rudel folgen. Das ist unser Weg. Das ist der einzige Weg. Und der steht nicht zur Diskussion.«
Die im Raum aufgestaute Energie wurde schwächer, als ob die Formwandler in der Kirche kollektiv wie ein geprügelter Hund den Schwanz eingezogen hätten.
»Ihr habt recht«, fuhr Gabriel fort. »Unter uns befinden sich Vampire, und das ist eine Änderung der bisherigen Regeln für das Rudel. Wir sind nicht wie sie, und vieleicht werden wir die alten Wunden nie wirklich verheilen lassen können. Aber seid euch sicher, der Krieg wird kommen, ob wir ihn wollen oder nicht. Und ihr habt recht – es gibt Vampire, die sich einen Dreck um die Rudel scheren, genauso wie es Rudelmitglieder gibt, die bereit sind, ihre Alphas umzubringen. Aber ich habe Dinge gesehen.«
Nach dieser Offenbarung hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Die Rudelmitglieder waren offensichtlich bereit, der Prophezeiung Gabriels zu glauben, egal, was sie zu bedeuten hatte.
»Ich habe die Zukunft gesehen«, sagte er. »Ich habe die Zukunft meines Kinds gesehen.« Er schlug sich mit der Faust auf die Brust. »Meines Sohnes. Ich habe das Gesicht der Personen gesehen, die ihn schützen, wenn die Zeiten für uns hart werden.«
Er senkte den Blick, und als er wieder aufsah, mit diesen wissenden Augen, drehte er den Kopf… und sah mich an.
Ein Flehen lag in seinen Augen. Nichts hätte mich mehr überraschen können.
»Die Vampire werden ihn schützen«, sagte er. Wir sahen einander an, und die Ereignisse in seiner Zukunft – und in meiner – liefen blitzschnell vor meinen Augen ab. Keine Handlung, keine Zeitangaben, aber ich sah genug, einschließlich der Augen seines Kindes und eines weiteren Paars grüner Augen, die Ethans überhaupt nicht – und doch wieder vollkommen – ähnelten. Ich konnte nicht wissen, wie mächtig und wie genau die Prophezeiungen eines Formwandlers waren… aber sie waren ein ziemlicher Schlag ins Gesicht.
Mir standen Tränen in den Augen, und Gabriel wandte sich ab.
Ich sah zu Boden und versuchte zu verstehen, was er gesagt hatte, versuchte mich daran zu hindern, nur noch so flach zu atmen, dass ich in der Kirche ohnmächtig werden würde.
Merit?, fragte Ethan lautlos, aber ich schüttelte den Kopf. Darüber musste ich erst nachdenken, bevor ich darüber sprechen konnte. Bevor ich bereit wäre, darüber zu diskutieren … sollte ich jemals dazu bereit sein.
Es war wieder still geworden, denn die Bedeutung von Gabriels Worten hatte die Anwesenden nachdenklich und ihnen klargemacht, dass sie ernsthaft in Betracht ziehen mussten, was er von ihnen erwartete.
»Ihr werdet dem Tod begegnen«, sagte er. »Tony ist gestorben und mehr werden ihm folgen, wenn wir bleiben. Aber wir werden dem Tod auch begegnen, wenn wir gehen. Die Welt ist ein brutaler Ort. Das wissen wir. Wir leben nach ihren Regeln – anderen Regeln als jene, die für Vampire oder Menschen gelten, aber es sind nichtsdestotrotz unsere Regeln. Diese Entscheidung müsst ihr heute Abend treffen.«
Er hob die Arme. »Die Diskussion ist eröffnet.«
»Diskussion« war ein recht nettes Wort für das, was dann folgte. Sobald Gabriel den versammelten Formwandlern das Wort erteilt hatte, zeigten die meisten derjenigen, die Gabriel eben angebrüllt hatten, den Stinkefinger und verließen die Kirche. Das wiederum ließ die verbliebenen zweihundert Formwandler aufstehen und den Deserteuren hinterherbrüllen.
Das war echtes Chaos.
Gabriel verdrehte die Augen, grüßte aber diejenigen, die den Saal verließen, zum Abschied.
»Lasst sie gehen«, sprach er ins Mikrofon. »Sie müssen nicht hierbleiben. Niemand von euch
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