Chicagoland Vampires 03 - Mitternachtsbisse
muss hierbleiben. Aber ob ihr nun diesen Raum verlasst oder bleibt, ihr werdet der Entscheidung, die hier getroffen wird, Folge leisten! « Sein Tonfall und sein finsterer Blick machten mehr als deutlich, dass dies keine Bitte war. Er sprach einen Befehl aus, der die Rudel an ihre Pflichten erinnerte.
Diejenigen, die diese Pflichten zu ignorieren versuchten, taten das auf eigenes Risiko.
Da die verbliebenen Formwandler nachdenklich gestimmt waren, wurde die Diskussion über die Zukunft nun ernsthaft geführt. Im Mittelgang der Kirche hatte man ein Mikrofon aufgestellt, das die Formwandler nutzen sollten. Der Platz gefiel mir gar nicht – jeder, der an das Mikrofon herantrat, hatte eine freie Schusslinie auf Gabriel –, aber daran konnte man nichts ändern.
Das bedeutete aber nicht, dass ich keine Eigeninitiative ergreifen konnte. Ich verließ meinen Posten an Gabriels Seite, ging nach vorne in die Kirche und stellte mich direkt vor das Podium, ohne Ethan vorher um Erlaubnis zu fragen – ich hatte die Angst von seinem Gesicht ablesen können, als ich damals Berna zur Seite gestanden hatte.
Kugeln – und Formwandler –, die sich einen Weg zu Gabriel bahnen wollten, mussten erst an mir vorbei.
Guter Gedanke, lautete Ethans telepathisches Kompliment, aber eine Vorwarnung wäre nett gewesen.
Es ist besser, um Verzeihung zu bitten, als um Erlaubnis zu fragen, zitierte ich ihn.
Obwohl die Formwandler in Gestalt, Größe und Hautfarbe unterschiedlicher nicht hätten sein können, ließen sich die Standpunkte, die sie am Mikrofon vertraten, grob in zwei Kategorien teilen. Eine Hälfte war sauer bei dem Gedanken, dass sie bei einer Rückkehr nach Aurora ihr Zuhause und ihre Geschäfte zurücklassen müssten. Die meiste Zeit schrien sie uns oder Gabriel an und machten unflätige Gesten.
Die andere Hälfte wollte nichts mit Vampiren oder Vampirpolitik zu tun haben und war davon überzeugt, dass die Bedrohung ihrer Gesellschaft ursprünglich von den Vampiren stammte.
Auch sie schrien uns oder Gabriel an und machten unflätige Gesten.
Nach vielen verbitterten Beiträgen trat der letzte Sprecher ans Mikrofon. Er war groß und kräftig und trug eine riesige schwarze Lederweste über seinem breiten Brustkorb.
Außerdem trug er ein Kopftuch, und seinen langen Bart hatte er in mehrere Zöpfe unterteilt und diese zusammengeschnürt. Nachdem er geduldig darauf gewartet hatte, sprechen zu dürfen, ging er ans Mikrofon und winkte Gabriel zu.
»Sie kennen mich, Sir. Bin keiner, der viel redet oder Plausch hält. Ich arbeite hart, das wissen Sie. Ich befolge die Regeln, ich behandle meine Familie anständig.«
Ich konnte Gabriels Gesicht nicht sehen, aber angesichts des Ernstes und der Güte in der Stimme des riesigen Mannes ging ich davon aus, dass er gerade zustimmend nickte.
»Ich kann die Zukunft nicht sehen, also weiß ich nichts vom Krieg. Ich halte mich an meine Leute, und ich weiß nicht viel von Vampiren oder den anderen. Ich weiß nicht, was auf uns zukommt, was wir erleben werden, wenn Chaos ausbricht, und auch nicht, was wir erleben werden, wenn sich die Wogen wieder geglättet haben. Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht so wirklich, warum wir hier sind oder warum wir glauben, wir müssten wegrennen.« Er schluckte schwer.
»Aber ich habe viele, viele Monde unter den Menschen gelebt. Ich habe in den Kriegen der Menschen gekämpft, habe an ihrer Seite gekämpft, wenn ich es für nötig hielt, und sie sind für mich und meine Leute eingetreten. Ich hab auch gehört, dass diese Vampire sich uns gegenüber anständig verhalten haben. Und jetzt sind sie wieder da, und sie treten für Sie ein, als ob sie bereit wären, sich jeder Gefahr in den Weg zu stellen, die vor Ihnen liegt.«
Er zuckte bescheiden mit den Achseln. »Diese ganzen politischen Sachen sind nicht mein Ding, aber ich weiß, was richtig ist. Sie setzen sich für uns ein, aber wir uns nicht für sie?« Er schüttelte den Kopf. »Bei allem Respekt vor Ihnen und Ihrer Familie, aber das ist nicht richtig. Einfach nicht richtig.«
Er nickte mir zu, dieser Mann in seiner Lederweste, drehte sich um und ging bescheiden wieder zurück. Er rutschte in eine der Bankreihen mitten in der Kirche, nahm Platz und blinzelte, während er darauf wartete, was als Nächstes geschehen würde.
Es zerriss mir fast das Herz. Ich konnte schlecht meinen Posten verlassen, beobachtete ihn aber, bis er Augenkontakt herstellte, und nickte ihm kurz zu. Er nickte zurück, zwei
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