Chicagoland Vampires 03 - Mitternachtsbisse
Frage antworten?«
Ein Mundwinkel zuckte leicht nach oben. »Süß, und du schleimst dich nicht ein. Das weiß ich zu schätzen. Du bist die neue Hüterin? Die Forscherin.«
»Frühere Forscherin«, sagte ich und streckte ihm die Hand entgegen. »Und du bist?«
»Der Bibliothekar«, sagte er und schien seinen Namen nicht nennen zu wollen.
Er wollte mir auch nicht die Hand schütteln. Stattdessen verlangte er mit einer Geste, die Zettel in meiner Hand zu sehen. »Gib mir deine Notizen, und ich werde finden, was du brauchst.«
Ich tat wie befohlen und folgte ihm, als er sich abwandte und zum sozialwissenschaftlichen Bereich hinüberging. Witzig, dachte ich, dass die meisten Bibliotheken Bücher über Formwandler und Wer-Wesen unter Fantasy und Sagen führen. Aber hier, in dieser Bibliothek, die Vampiren gehörte, waren sie real. Das bedeutete, dass diese Bücher eher zur Anthropologie (oder vieleicht Zoologie?) als zur Mythologie gehörten.
Wir gingen in die hintere rechte Ecke des Raums, wobei der Bibliothekar den Blick auf meine Notizen gerichtet hielt. Er machte sich nicht die Mühe, die Signaturen an den Regalenden zu betrachten, denn er schien den Standort der Bände auswendig zu kennen.
»Die Vampire reden darüber«, sagte er, als er in einen engen Gang zwischen den Regalen einbog. Ich folgte ihm. Bücher jeder Form und Größe, neue und alte, Taschenbücher und gebundene Ausgaben, erstreckten sich über uns.
»Worüber reden sie?«
»Die Versammlung.« Er blieb mitten im Gang stehen, drehte sich zu einem der Regale und sah mich dann an. »Es heißt, sie haben sich entschieden, nicht nach Aurora zu gehen, und dass sie dich angegriffen haben.«
Gerüchte über die Versammlung hatten die Runde gemacht, aber leider nicht die Wahrheit. »Sie haben sich entschlossen, zu bleiben und uns zu unterstützen, anstatt zu fliehen«, korrigierte ich ihn.
»Der Angriff erfolgte auf einen der Rudelanführer. Sie haben nicht mich angegriffen. Ich habe nur geholfen, ihn zu verteidigen.«
»Trotzdem«, sagte er, »beweist das nicht, wie sie wirklich sind? Wankelmütig? Und ihre Zukunft besprechen sie in Chicago. Wer hätte gedacht, dass dieser Tag mal kommen würde?« Da er einen Finger über die Buchrücken gleiten ließ, nahm ich an, dass der Kommentar rhetorischer Natur gewesen war. Eine Frage hatte ich aber dennoch.
»Warum werden sie die ›Heuchler‹ genannt?«, fragte ich. Ich hatte gehört, wie Peter Spencer den Ausdruck für Formwandler gebraucht hatte. Ich wusste, dass er nicht gerade schmeichelhaft war, aber ich kannte seinen Ursprung nicht.
Der Bibliothekar zog ein großes, schmales, in braunes Leder gebundenes Buch aus dem Regal und reichte es mir. Es war eigentlich eine Mappe, die Skizzen von Formwandlern in ihrer Tierform enthielt. Die üblichen Verdächtigen waren natürlich vorhanden: Wölfe, Raubkatzen, Raubvögel. Es gab auch einige etwas ungewöhnlichere Exemplare wie zum Beispiel Robben. Vieleicht war das der Ursprung für den Mythos der Selkies, Wesen, die halb Mensch, halb Robbe waren.
»Formwandler täuschen vor, Menschen zu sein«, sagte der Bibliothekar. »Sie heucheln Menschlichkeit. Sie leben unter ihnen, obwohl sie in Wirklichkeit keine Menschen sind.«
Ich musste mir eingestehen, dass mich diese Argumentation verwirrte. »Aber wir sind doch auch keine Menschen, oder?«
»Wir sind, was wir sind. Raubtiere. Menschen mit kleineren genetischen Veränderungen. Wir wechseln nicht unsere Gestalt, um uns zu verstecken.« Er wich einen Schritt zurück und zeigte auf seinen Körper. »Das bin ich. Das sind wir«, sagte er, und in seiner Stimme lag Frustration. Dann wandte er sich wieder den Regalen zu und zog mehrere Bände hervor. »Wann immer die Menschen versucht haben, Übernatürliche umzubringen, haben die Formwandler so getan, als ob sie Menschen wären.«
Ich verkniff mir die Bemerkung, dass sich Vampire seit Jahrhunderten einfach versteckt und so getan hatten, als ob sie Menschen wären, um dem Espenpflock zu entgehen. Ehrlich gesagt zweifelte ich daran, ob er den Vergleich gern hören würde. Diese Art Vorurteil hebelte jegliche Logik aus.
»Haben sie das während der Zweiten Säuberung getan?«, fragte ich laut, während der Bibliothekar Bücher auf meinen Armen stapelte. »Haben sie vorgetäuscht, Menschen zu sein, und ignoriert, dass Vampire umgebracht werden?«
»Ich glaube, das reicht erst mal, meinst du nicht auch?«, fragte er missmutig.
Das war vermutlich die Erklärung
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