Chicagoland Vampires 03 - Mitternachtsbisse
für mich. Ich täuschte in der Temple Bar ein Lächeln vor und ein Gähnen, sodass ich mich von der Gruppe verabschieden und ins Haus zurückkehren konnte. Lindsey entschloss sich zu bleiben, also nahm ich mir ein Taxi und freute mich darauf, für den Rest des Abends in meinen Büchern zu versinken. Man konnte über Ethanales sagen, was man wollte, aber der Junge wusste, dass er mich mit einer gut gefüllten Bibliothek glücklich machte.
Okay – er wusste auch sonst, wie man mich glücklich machte, aber bleiben wir beim Thema.
Die Bibliothek, die sich zur Straße hin befand, erstreckte sich über zwei Etagen und war vom ersten Stock aus zugänglich. Ein rotes, gusseisernes Geländer zog sich an der Galerie entlang, die man über eine Wendeltreppe aus demselben Metall erreichte. Drei riesige Fenster fluteten den Raum mit Licht, und ordentlich aufgereihte Tische standen in der Mitte.
Langer Rede kurzer Sinn: Die Bibliothek war luxuriös – der Traum eines jeden Bücherwurms.
Als ich den ersten Stock erreichte, huschte ich durch die Doppeltür und sah mich, die Arme in die Seiten gestemmt, um. Ich hatte keinen klaren Forschungsauftrag, aber mir mangelte es auch an Wissen, das man brauchte, um mit Formwandlern Hand in Hand zu arbeiten und mit ihnen zusammenzuleben.
Ungeachtet jeder Feindseligkeit musste es hier Material über die Formwandler geben. Die Bibliothek war zwar groß und gut organisiert, aber unglücklicherweise altmodisch, was eine Sache betraf: Sie hatte einen Zettelkatalog. Und zwar nicht irgendeinen Zettelkatalog, sondern einen, der in drei gewaltigen Eichenschränken mit schmalen Schubladen untergebracht war. Jede dieser Schubladen enthielt Tausende alphabetisch sortierter Zettel.
Ich ging zur Reihe, wo der Buchstabe F untergebracht war, zog die entsprechende Schublade heraus und stellte sie auf einem Brett ab, das ich an der Seite hervorzog. Es gab zahlreiche Einträge zu Büchern über Formwandler, von der Encyclopaedia Tractus – dem »ultimativen Guide zu Formwandler-Gebieten auf der ganzen Welt« – bis hin zu Ein Leben mit Fell: Die Reise eines Mannes.
Ich notierte mir die Signaturen einiger Sachbücher (Biografien und Memoiren nicht mitgerechnet) und schob die Schublade zurück an ihren Platz. Das ausziehbare Brett ließ ich mit einem leichten Stoß meiner Hüfte wieder hinein-rutschen und überflog meine Zettel, die ich gesammelt hatte, um zu überlegen, in welchen Bereichen der Bibliothek ich die Titel finden würde … und prallte frontal in einen braunhaarigen Mittzwanziger, der mich finster ansah.
»Oh Gott, es tut mir leid. Ich wollte nicht …«
»Du bist sicherlich nicht davon ausgegangen, dass du die einzige Novizin bist, die diesen Raum benutzt? Und du bist sicherlich nicht davon ausgegangen, dass sich die Bücher von selbst sortieren?«
Ich blinzelte den Mann an – ziemlich klein, süß, gequälter Gesichtsausdruck –, der mich mitten in der Entschuldigung unterbrochen hatte.
»Ich – äh – nein? Natürlich nicht.« Ich mochte zwar stottern, aber das meinte ich auf jeden Fall ehrlich. Als ich die Bibliothek das erste Mal gesehen hatte, war ich davon ausgegangen, dass es einen Bibliothekar gibt, der alles in Ordnung hält. Es war mir irgendwie seltsam vorgekommen, dass ich ihn oder sie noch nie gesehen hatte. Aber offensichtlich stand ich gerade in diesem Moment vor ihm.
Die Antwort schien den Bibliothekar ein wenig zu beruhigen, und er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das daraufhin senkrecht nach oben abstand. Er trug Jeans und ein schwarzes Polohemd – ein weiterer Vampir, der sich nicht von Kopf bis Fuß in das Schwarz Cadogans kleiden musste.
»Natürlich nicht«, wiederholte er. »Das wäre ungemein naiv.« Er deutete auf die Bücher hinter sich.
»Wir haben mehrere zehntausend Titel in dieser Bibliothek, musst du wissen, mal ganz abgesehen davon, dass wir eine offizielle Pflichtexemplarbibliothek für den Kanon sind.« Er hob die Augenbrauen, als ob er eine Antwort von mir erwartete – eine ehrfurchtsvolle Antwort.
»Ja«, sagte ich, »das ist – toll! Zehntausende von Titeln? Und auch noch Pflichtexemplarbibliothek für den Kanon? Das ist ganz toll.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust und wirkte äußerst skeptisch. »Sagst du das nur so, oder Er verschränkte die Arme vor der Brust und wirkte äußerst skeptisch. »Sagst du das nur so, oder bist du wirklich beeindruckt?«
Ich verzog das Gesicht. »Wie sollte ich deiner Meinung nach auf diese
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