Chicagoland Vampires
legte es dann zwischen uns auf das Armaturenbrett. »Er scheint jetzt mit uns sprechen zu wollen.«
Catcher begrüßte uns mit einem schlichten »Ethan, Merit«. Seine Stimme klang heiser und noch tiefer als sonst. Gefühlsausbrüche waren nicht sein Ding, aber Mallorys Verschwinden musste auch ihm zu schaffen machen.
»Wie geht’s dir?«, fragte ich.
»Die Frau, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen wollte, versucht die Büchse der Pandora zu öffnen, ohne dabei über die Konsequenzen nachzudenken. Es hat schon bessere Tage in meinem Leben gegeben. Oder Wochen.«
Ich zuckte mitfühlend zusammen. »Schieß los. Was ist der Stand der Dinge?«
»Sie war in einer Einrichtung in der Nähe des Flughafens untergebracht«, sagte Catcher. »Sie hatten dort bewaffnete Wachen, um ein Auge auf sie zu haben, und medizinisches Personal, um sicherzustellen, dass sie sich in guter Verfassung befindet.«
»Ich dachte der Orden wäre in Chicago nicht präsent?«, fragte Ethan verwundert.
»Baumgartner behauptet, dass diese Einrichtung mit dem Orden nichts zu tun hat, sondern stationär Patienten behandelt und er einen Freund dort um einen Gefallen gebeten hat«, sagte Catcher. Baumgartner war der Meister des Ordens. So wie sich Catcher anhörte, kaufte er Baumgartner diese Ausrede nicht ab.
»Und was ist passiert?«, fragte Ethan.
»Sie hat eine Zeit lang geschlafen, wachte auf und redete über ihre Abhängigkeit. Sie vermittelte den Eindruck, dass sie sich ihrer Handlungen bewusst ist und sie bedauert, und da haben sie ihr für eine Untersuchung die Fixierungen abgenommen.«
»Woraufhin sie den Wachmann angegriffen hat?«, fragte Ethan.
»Genau. Wie sich herausstellte, war sie kein bisschen angeschlagen. Der Wachmann ist noch im Krankenhaus, aber soweit ich das verstanden habe, werden sie ihn heute entlassen.«
»Wo ist sie hin?«, fragte ich.
»Sie ist auf einigen Überwachungskameras des öffentlichen Personennahverkehrs von Chicago aufgetaucht«, sagte Catcher. »Sie ist mit der Hochbahn zum Bahnhof gefahren und in einen Zug nach Aurora gestiegen. Sie wurde an einer Fernfahrerkneipe gesehen, wo sie sich nach Des Moines hat mitnehmen lassen. Die Spur endet in Iowa. Seitdem ist sie nicht mehr gesehen worden.«
Catcher hatte Mallorys Zauberspruch, mit dem sie sich einen Schutzgeist herbeizaubern wollte, dadurch unterbrochen, dass er sie bewusstlos geschlagen hatte. Schade, dass er nicht ein wenig härter zugeschlagen hatte.
»Sie ist also vermutlich auf dem Weg nach Nebraska«, mutmaßte ich. »Aber woher wusste sie, dass sie dorthin muss? Woher wusste sie, dass der Orden das Maleficium dorthin schickt und nicht einfach einem anderen Bewacher übergibt?«
»Simon hat ihr von dem Silo erzählt«, sagte Catcher. »Und er und Baumgartner waren bei ihr und haben über den Transport des Buches gesprochen, als sie angeblich noch schlief.«
»Zwei weitere kapitale Fehler von Simon«, sagte ich.
»Japp«, sagte Catcher. »Er wäre schon längst aus dem Orden geflogen, wenn Baumgartner nicht Angst vor ihm hätte. Er weiß zu viel, besitzt aber keinen gesunden Menschenverstand. Wenn er weiterhin Mitglied ist, dann verfügt Baumgartner doch noch über genügend Autorität.«
»Eine ziemlich missliche Lage«, sagte Ethan. »Haben wir schon eine Strategie?«
»Der erste Schritt ist, ihr näher zu kommen«, erwiderte Catcher. »Ihr solltet euch auf den Weg nach Elliott, Nebraska, machen. Das liegt etwa acht Kilometer nordwestlich von Omaha. Die Archivarin des Ordens lebt dort auf einem Bauernhof, direkt am Silo. Ich schicke euch die Wegbeschreibung.«
»Die Archivarin?«, fragte ich.
»Sie zeichnet die Geschichte des Ordens auf.«
»Ist sie die einzige Hexenmeisterin, die das Buch bewacht?«, fragte Ethan.
»Ihr Name ist Paige Martin. Sie ist die einzige Hexenmeisterin auf dem Bauernhof; sie ist auch die einzige Hexenmeisterin in Nebraska. Das Maleficium wird dort nicht immer untergebracht, und da es in regelmäßigen Abständen unterwegs ist, ergab sich nicht die Notwendigkeit für größeren Schutz. Ich habe sie darum gebeten, mich dorthin gehen zu lassen«, fügte Catcher leise hinzu. »Ich will dabei sein, sollte die Situation eskalieren. Wenn es hart auf hart kommt. Aber sie befürchten, dass ich nicht objektiv bin.«
Wir schwiegen für einen Augenblick und gingen vermutlich in Gedanken durch, wie schlimm es wirklich werden könnte und dass durchaus die Möglichkeit bestand, dass wir Mallory nicht würden
Weitere Kostenlose Bücher