Chicagoland Vampires
dass es zwischen uns jemals mehr als die berufliche Beziehung zwischen Hüterin und Meister gegeben hatte. Natürlich besprachen wir gerade äußerst wichtige Dinge, und ihm stand ein Treffen mit Darius bevor, aber das beruhigte mein ungutes Gefühl keineswegs.
Ich nickte, trat auf den Flur hinaus und zog die Tür hinter mir zu. Dann blieb ich mit dem Kopf an die Wand gelehnt einen Moment stehen. Unsere Beziehung war wie das Aufeinandertreffen zweier ungeschickter, rhythmusgestörter Tänzer – immer einen Schritt vor und zwei Schritte zurück. Doch jetzt galt es, mich um Paulie zu kümmern. Ich verdrängte also Ethan aus meinen Gedanken und ging zur Treppe.
Jedes der drei Vampirhäuser Chicagos verfügte über Wachen, deren Aufgabe es war, das Haus – und dessen Vampire – zu beschützen. Als Hüterin war ich zwar genau genommen keine Wache, aber da wir unterbesetzt waren, half ich aus. Bei allen Wachen gab es einen Hauptmann und ein Hauptquartier.
Unser Hauptquartier befand sich im Kellergeschoss des Hauses Cadogan, passenderweise in der Nähe des Sparringsraums und der Waffenkammer, und war mit den neuesten elektronischen Spielereien ausgestattet. Touchscreen-Bildschirme, riesige Wandmonitore. Nur das Beste vom Besten für diejenigen, die über die Sicherheit Cadogans wachten.
Bedauerlicherweise konnten selbst die neusten technischen Spielereien Luc und Kelley, unseren früheren Hauptmann und seine Nachfolgerin, nicht von ihrer Liebe zum Papier kurieren. Jeden Tag sammelten sich unzählige Seiten in unseren Ordnern – die sogenannten »Tagesaufgaben«, die Berichte über die Hausaktivitäten enthielten und alle anderen wichtigen oder auch unwichtigen Dinge, von denen sie glaubten, dass wir sie wissen müssten.
Und Luc war nicht mal mehr unser Hauptmann. Er war nun Maliks Stellvertreter und würde diese Funktion so lange ausüben, bis Ethan wieder das Zepter im Haus übernahm. Wenn wir mal davon ausgingen, dass dies auch geschehen würde …
Ich betrat die Operationszentrale und sah, wie Luc und Kelley zu dem Foto vom armen und vor allem toten Paulie hinaufsahen. Juliet saß vor einem der Computermonitore und hielt den Blick auf die Bilder der Überwachungskameras gerichtet, die das Haus und das gesamte Anwesen zeigten. Lindsey war offensichtlich draußen auf Patrouille.
»Ein hübscher Anblick, nicht wahr?«, fragte ich und setzte mich ihnen gegenüber an den Konferenztisch.
Luc schnaubte und verschränkte die Arme vor seinem Batisthemd. »Du hast es also unverletzt aus Nebraska zurückgeschafft.«
Auf dem Tisch stand eine Schale mit Pralinen. Ich beugte mich vor und nahm mir eine. Ich hatte sie verdient.
»Das habe ich«, sagte ich. »Du hättest es dort gemocht. Bauernhöfe an jeder Ecke und Kühe in Hülle und Fülle.«
Luc vermittelte zwar den Eindruck eines Cowboys, der gerade erst vom Weideland zurückgekehrt war, aber zumindest war er wieder angezogen. Mir brannten immer noch die Augen von meiner Unterbrechung vorhin.
»Meine Tage als Cowboy sind schon lange vorüber«, sagte Luc.
»Ich dachte, deine Tage als Wache wären auch vorüber.«
Kelley kicherte. »Seine Ausrede ist, dass da oben schon genügend Anzugträger herumlaufen.«
Luc schnappte sich ebenfalls eine Praline, nachdem er die Schale nach einer ganz bestimmten durchsucht hatte. »Sowohl Ethan als auch Malik sind durchaus in der Lage, als Stellvertreter diesem Haus zu dienen. Sie haben beide verdammt viele Jahre auf ihrem Konto.«
Es fiel mir schwer, mir Ethan als etwas anderes als den Meister dieses Hauses vorzustellen. Das momentane Arrangement war eine unangenehme Situation für alle Beteiligten.
»Wie war Ethan so als Peter Cadogans Stellvertreter?«, fragte ich daher neugierig.
»Speziell«, sagte Kelley. »Er hat schnell gelernt, war aber in der Regel davon überzeugt, dass nur er recht hat. Er respektierte Peter, aber es gab einige Reibungspunkte. Er wollte sein eigenes Haus.«
»Das war zwar vor meiner Zeit«, sagte Luc, »aber es entspricht dem, was ich gehört habe.« Er richtete sich auf und kam mit seinem Stuhl näher an den Tisch heran. »Und jetzt, wo wir in Erinnerungen geschwelgt haben – warum kümmern wir uns nun nicht um unsere eigentlichen Aufgaben?«
»Ich nehme an, Ethan hat dir von Tate erzählt?«, fragte ich.
»Hat er. Wir haben einen zusätzlichen Tate und einen Komplizen Tates weniger.« Luc tippte auf den Monitor und zoomte Paulies Verletzungen heran.
»Paulie war zweiundvierzig Jahre
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