Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
hatte, erlitt sie einen Schock. Sie konnte Andrea Erhard, die sich zunächst um sie kümmerte, noch bestätigen, dass sie erst vorgestern Nachmittag, wie an jedem Samstag seit Frau Kauffmanns Abreise, im Haus gewesen sei, auch im Wohnzimmer, um die Grünpflanzen neben der Terrassentür zu gießen. Sie habe sich noch gedacht, dass die eigentlich ganz gut aussähen, obwohl sie nicht besonders viel Licht bekämen. Da sei ihr nichts Ungewöhnliches aufgefallen, alles habe ausgesehen wie immer.
„Nein, auf dem Couchtisch is nix gstanden, was hätt denn da stehen sollen?“
Andrea Erhard ließ sie darüber im Unklaren. Sie saß mit der völlig verängstigten Frau auf der Hausbank vor ihrem Hof.
„Könnt’s denn sein, dass die Frau Kauffmann irgendwann zurückgekommen wär, ohne dass Sie des gemerkt hätten? Oder sind Sie sich ganz sicher, dass sie überhaupt abgereist is? Wie war denn des im Januar? Am fünften ham S’ gsagt?“
„Ja jetz wo Sie so fragn ... i bin ja damals grad in der Woch gar net da gwesen, da hab i mei Schwester bsucht in Österreich, die hat da hing’heiratet, an Österreicher, wissen S’, scho vor dreißg Jahr, und de hat am dritten Januar Geburtstag, da fahr i jeds Jahr hin, seit mei Mutter gstorbn is ...“
„Also wissen Sie’s nicht sicher?“
„I hab’s ma halt denkt ... Sie hat mir vorher an Schlüssel gebn, und wia i zruckkomma bin am achten, da war sie weg. Deswegen hab i ma natürlich nix dabei gedacht ...“
Karl Wildmann kam mit einem Polaroid-Foto in der Hand auf die beiden zu.
„Frau Angermoser, es tut uns leid, aber nur damit wir auch ganz sichergehen ... würden Sie sich vielleicht das Foto ansehen, ob es sich wirklich um Frau Kauffmann handelt?“
Frau Angermoser zögerte. „Wenn’s sein muss ...“
Wildmann gab ihr das Foto. Darauf war nur der Kopf zu sehen, ohne Blumentopf. Die Frau auf dem Foto sah eigentlich recht friedlich aus, die Augen geschlossen, die schulterlangen braunen Haare etwas verstrubbelt. Wäre nicht die weißgraue Hautfarbe gewesen, hätte man sie durchaus für eine Schlafende halten können.
„Um Gottes willen ...“ Rosa Angermoser holte tief Luft. „Um Gottes willen ...“ Sie griff sich ans Herz und ließ das Foto fallen. „Des is sie. Ja um Gottes willen!“ Ihr wurde schlecht. Sie krallte sich mit der Rechten an der Bank fest und mit der Linken griff sie nach der Hand, die ihr Andrea Erhard reichte, dann sank sie auf deren Schoß.
„Hätt des jetzt ned no a paar Minuten warten können? Können S’ vielleicht schnell an kalten Waschlappen aus’m Haus holn?“ Andrea Erhard war besorgt um die alte Frau.
„Tut mir leid, der Arzt ist schon unterwegs, er muss jeden Moment da sein.“ Wildmann schob schnell das Foto in die Tasche und sprang ins Haus. Als er mit dem Waschlappen zurückkam, bog schon der Notarztwagen mit einem Sanka im Gefolge in die Hofeinfahrt. Die Profis übernahmen Frau Angermoser. Sie erholte sich rasch wieder ein bisschen, wirkte aber durch die Ereignisse so angeschlagen, dass man sie sicherheitshalber ins Krankenhaus brachte.
Erhard und Wildmann gingen hinüber zum Haus. Hattinger kam gerade mit dem Gerichtsmediziner, Privatdozent Dr. Dr. Herrmann Keul heraus.
„Also, jedenfalls ist die Frau nicht durch Enthaupten gestorben, der Kopf wurde post mortem entfernt, und zwar relativ sauber, vermutlich mit einem richtig scharfen Messer, Schicht für Schicht. Ein großes Skalpell, ein Rasiermesser, irgendwas in der Art ... Lassen Sie mir alles so schnell wie möglich bringen, dann mache ich mich ans Werk.“
„Was meint er mit alles?“, erkundigte sich Andrea Erhard, sobald der Gerichtsmediziner wegfuhr.
„Des, was uns noch gfehlt hat von der Leich hamma im Keller gfundn, in ihrer eigenen Kühltruhe. Jedenfalls schaut’s auf’n ersten Blick so aus, als ob alles da wär.“
Andrea Erhard mochte es sich gar nicht vorstellen.
„Das hätte zumindest den Vorteil, dass jetzt keine Leichenteile mehr auftauchen“, hoffte Wildmann, schien sich allerdings seiner Sache selbst nicht sicher zu sein.
„Ja, aber nur wenn er jetzt ned weitermacht ...“, entgegnete Hattinger.
Bamberger kam aus dem Haus und zündete sich eine Zigarette an. Er nahm einen tiefen Zug und atmete den Rauch hörbar aus.
„I hab gedacht, du hast aufghört?“, fragte Hattinger.
„Ja, eigentlich scho ... mei ...“
„Gibst ma ah oane?“
Bamberger hielt ihm das Päckchen hin und Hattinger bediente sich. Bamberger gab ihm
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