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Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Titel: Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bogenberger
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auch keine ... Ich glaube, sie hatte in Wirklichkeit Angst vor Nähe. Sie hat mir mal in einem schwachen Moment anvertraut, dass ihre erste große Liebe damals auf dem Gymnasium sie sehr verletzt hätte. Damals habe sie sich geschworen, dass ihr das nicht mehr passiere. Sie hat die Kerle ziemlich schlecht behandelt, von oben herab, sie hat ein bisschen gespielt mit ihnen ...“
    „Aber dass sie sich da Feinde gemacht hätte, oder zumindest einen?“
    „Nein, das halte ich für völlig abwegig, deshalb würde sie doch keiner umbringen, Jahre später. Die sind halt frustriert wieder abgezogen.“
    „Wie kommt’s eigentlich, dass sie nach dem Studium nicht bei der Medizin geblieben is? Ich mein, so a Medizinstudium is doch a ganz schöne Anstrengung, sechs Jahr, und dann macht s ’ ganz was anderes?
    „Das habe ich ehrlich gesagt auch nie ganz verstanden. Sie wollte eigentlich Anästhesistin werden, sie hat auch auf einen Platz zur Facharztausbildung im Klinikum Rechts der Isar gewartet, ich glaube, den hatte man ihr schon zugesagt. Dann ist sie zur Überbrückung für ein paar Monate an eine private Frauenklinik im Chiemgau gegangen. Nach drei Monaten hat sie plötzlich gekündigt – und das war’s dann mit der Medizin.“
    „Hat sie Ihnen nicht erklärt, warum?“
    „In der Zeit hat sie sich sehr verändert... ,Ich kann das nicht’ – das war alles, was sie gesagt hat. Sie war bedrückt irgendwie, sie hat angefangen ziemlich viel zu trinken, sie war viel unterwegs ... Sie wollte mit mir nicht wirklich darüber reden, und ich habe auch nicht versucht, es um jeden Preis aus ihr rauszulocken, ich hatte in der Zeit wahnsinnig viel Stress mit meinem Architekturexamen, Probleme mit meinem Freund, also ich war auch so schon beschäftigt genug. Eines Tages hat Annette dann gesagt, sie würde jetzt erstmal auf Reisen gehen, und ob sie das Zimmer behalten könne, als Basisstation sozusagen. Wir waren zu der Zeit nur noch zu zweit übrig geblieben von der ursprünglichen Wohngemeinschaft. Ich war ja froh, dass ich die Wohnung nicht ganz allein bezahlen musste, aber ich hätte sie auch so gerne dabehalten. Und dann ist sie losgezogen und war erstmal ein Jahr lang weg.“
    „Und unterwegs hat sie dann zum Schreiben angfangen?“
    „Ja. Sie hat gemeint, das wäre die beste Art, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Dass sie Talent zum Schreiben hatte, das wusste ich schon lang. Aber ich war dann doch einigermaßen entsetzt, als ich das erste Buch las. Sie hatte diesen Oosterlind Verlag gefunden, auf den war sie gekommen, weil sie in irgendeinem Bed & Breakfast in Indien oder Sri Lanka ein Buch gefunden hatte, was bei denen erschienen war. Weil sie sonst keine Lektüre mehr hatte, hat sie das gelesen und sich gedacht: Das kann ich auch. Dann hat sie die Geschichte analysiert und drauflos geschrieben. In einem Monat war sie fertig. Der Verlag hat sie sofort genommen.“
    „Und von da an hat sie jedes Jahr zwei, drei Bücher veröffentlicht?“
    „Ja. Ich hab natürlich zu ihr gesagt: Warum schreibst du denn gerade so was? Das hat doch mit dir überhaupt nichts zu tun. Darauf sagte sie: Eben deswegen. Das fällt mir leicht. Ich muss nur meine Umgebung beobachten und alles ein bisschen aufpolieren. Außerdem geht’s schnell und es bringt Geld.“
    „Und dann war sie die nächsten Jahre über auf Reisen?“
    „Genau. Sie war ein-, zweimal im Jahr in München, ich glaube die längste Zeit waren mal zwei Monate am Stück, in der Zeit hat sie dann diese fürchterliche Lesung gehalten, das war aber schon gegen Ende ihrer Reisejahre. Wissen Sie, Herr Kommissar, man sagt doch zum Beispiel, wenn jemand gute Schlager schreiben will, dann muss er Schlager lieben, sonst wird das nichts. Bei Annette war das anders, die hat sich nicht im mindesten mit dem identifiziert, was sie da schrieb, und trotzdem ist es bei ihrer Zielgruppe gut angekommen. Ausnahmen bestätigen eben die Regel. Das war zu hundert Prozent kalkuliert. Ein paar von ihren Büchern sind sogar verfilmt worden, für diese typischen Rentnersendeplätze. Und die waren auch nicht schlechter als die anderen Schmonzetten, die da sonst laufen. Ich habe aber schon gemerkt, dass es sie im Lauf der Jahre immer mehr angekotzt hat. Irgendwann war die Luft einfach raus, sie mochte auch gar nicht mehr wirklich wegfahren. Wenn man das ganze Jahr über Südsee hat, wird es eben auch irgendwann langweilig. Und dann hat sie wieder mal so eine totale Kehrtwendung in ihrem

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