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Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Titel: Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bogenberger
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auf die Zunge und spülte es mit einem Schluck Leitungswasser aus der alten Glaskaraffe hinunter.
    Er versuchte ruhig und tief zu atmen.
    Ich darf mich nicht so gehen lassen, dachte er. Ich darf mich nicht gehen lassen ... gerade jetzt nicht.

20
    Am Abend fraßen sich Hattinger und seine Kollegen immer noch durch den Stapel von Papieren. Immerhin wussten sie nach seinem Gespräch mit Vera Ant-holz etwas genauer, wonach sie suchten. Vor allem die Zeit nach dem Ende von Annette Kauffmanns Studium schien interessant zu sein, als sie diesen radikalen Kurswechsel vollzogen hatte.
    Das Telefon klingelte. Der Rechtsmediziner war am Apparat.
    „Ja, Dr. Keul hier. Ich wäre jetzt dann bald so weit, also wenn Sie kommen wollen, dann setzen Sie sich ins Auto.“
    Hattinger zögerte. „Wenn’s Ihnen recht war, würden wir uns des ausnahmsweise gern morgen anschauen, wenn’s geht. Mir stecken hier grad bis zum Hals in den Ermittlungen, und wenn wir jetzt drei, vier Stund weg sind ... des war weniger gut ...“
    „Na gut, dann komm ich jetzt auch mal nach Hause. Ich bin morgen ab neun Uhr wieder hier. Lassen Sie sich einen Termin geben, damit ich nicht mitten in einer Obduktion bin.“
    „Gut, danke, aber können Sie uns denn telefonisch schon irgendwas sagen?“
    „Die Frau ist relativ fachmännisch zerteilt worden, saubere Arbeit, mit gutem Werkzeug. Dazu gehört mehr, als ein Brathähnchen zu zerlegen. Der Täter muss zumindest handwerklich begabt sein und ein bisschen Ahnung von Anatomie haben. Ein bisschen Kraft sollte er natürlich auch mitbringen, obwohl – die Frau brachte 52 Kilo auf die Waage, da braucht’s noch nicht unbedingt einen Gewichtheber ... Der Torso und die Extremitäten waren weitgehend ausgeblutet, das heißt, dass sie relativ schnell nach ihrem Tod zerstückelt wurde. An beiden Unterschenkeln und beiden Unterarmen finden sich charakteristische Fesselungsspuren mit Hautabschürfungen, weiterhin haben wir Druckstellen um Mund und Nase mit leichten oberflächlichen Einblutungen und einen Abdruck der unteren Zahnreihe auf der Innenseite der Unterlippe. Es finden sich aber keine weiteren Kampfspuren, die Fingernägel der Frau waren sauber, das wussten wir ja schon länger. Der Täter könnte sie natürlich nachträglich gereinigt haben, aber auch der Zustand des übrigen Körpers spricht nicht dafür, dass die Frau sich gewehrt hat, außer gegen die Fesselung.“
    Privatdozent Dr. Dr. Keul legte eine kleine Kunstpause in seinem Vortrag ein.
    „Das Interessanteste ist aber sicherlich ein Stichkanal durch die linke Brust und zwischen vierter und fünfter Rippe parasternal durch den Brustkorb, mitten in die rechte Herzkammer. Ich gehe davon aus, dass sie daran gestorben ist – nicht an dem Stichkanal natürlich, aber an dem, was ihr über diesen Kanal appliziert wurde ...“
    „Sie meinen also, dass ihr jemand mit einer Spritze direkt was ins Herz gspritzt hat?“
    „Genau. Was das war, wissen wir noch nicht. Ich habe das Serum zur toxikologischen Untersuchung gegeben, das wird noch etwas dauern. Es gibt auf jeden Fall nichts anderes, woran sie gestorben sein könnte. Die Frau war kerngesund. Und ich denke, dass sie vor dem Fesseln betäubt wurde, dass ihr etwas vor den Mund beziehungsweise die Nase gehalten wurde. Auch das werden wir nach der Analyse wissen.“
    „Dazu braucht ma doch bestimmt a besonders lange Nadel, oder? Und man muss ja auch wissen, wo man einstechen muss, um as Herz zu treffen?“
    „Bei einem schlanken Menschen wie Frau Kauffmann braucht man keine besonders lange Kanüle, aber wie gesagt, ein paar anatomische Grundkenntnisse sind schon von Vorteil. Die kann man sich aber natürlich auch anlesen. In einer Zeit, in der sich jeder, der einen Computer bedienen kann, eine Bauanleitung für die Atombombe googeln kann, sollte es ohne Weiteres möglich sein herauszubringen, wie man jemandem eine Spritze ins Herz rammt. Ich empfehle mich, wenn Sie keine weiteren Fragen haben ... Schönen Feiertag noch.“
    Nachdem er aufgelegt hatte, teilte Hattinger den anderen mit, was der Gerichtsmediziner berichtet hatte.
    „Das hört sich ja an wie eine medizinische Hinrichtung ...“ Wildmann überlegte. „Wenn das stimmt, dass er sie erst betäubt und gefesselt hat, stellt sich doch die Frage, wieso macht er das, wieso bringt er sie nicht gleich um? Was für einen Grund kann es geben, dieses Risiko einzugehen? Und warum diese seltsame Todesart?“
    „Macht eigentlich nur Sinn, wenn er mit ihr

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