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Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Titel: Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bogenberger
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eine Nutte! So grell geschminkt, mit schwarz umrandeten Augen, lilafarbenen Wangenknochen, frei gezogenen Augenbrauen, einem grellrot angemalten Mund mit nachgezogenen Lippenkonturen, der leicht geöffnet war und im linken Mundwinkel unnatürlich die Zunge hervorspitzen ließ...
    Zuhause war ihr das Schminken grundsätzlich verboten gewesen, nie zuvor hatte er sie so gesehen!
    In ihr blondes langes Haar hatte sie Korkenzieherlocken eingedreht und eine affige schwarze Tüllschleife eingeflochten. Und bei den Kleidern, die sie anhatte, handelte es sich keinesfalls um ihre eigenen: Ein rotes, eng anliegendes, ärmelloses T-Shirt, tief ausgeschnitten ohnehin schon, und obendrein mit einem senkrechten Schlitz im Dekollete, der einen äußerst freizügigen Blick auf ihre Brüste gewährte. Ja, sie hatte erstaunlich große Brüste für ein Mädchen in ihrem Alter gehabt, die Brüste einer erwachsenen Frau fast, und auf dem Foto war klar zu erkennen, dass sie nicht einmal einen Büstenhalter trug, ihre Brustwarzen zeichneten sich deutlich ab unter dem dünnen Stoff. Dabei hatte ihr ihre Mutter eingeschärft, nie ohne BH aus dem Haus zu gehen!
    Das T-Shirt bedeckte nicht einmal ihren Bauchnabel. Dazu der schwarze Lederrock, der diese Bezeichnung kaum verdient hatte. Allenfalls ein breiter Gürtel war das – so weit hochgeschoben, dass man sogar noch einen Teil des Höschens erkennen konnte.
    Aber am schlimmsten war ihre Pose, der Blick ...Es war ja nicht so, dass er nicht doch manches gesehen hätte im Laufe seines Lebens, auch wenn man bestimmte Dinge vielleicht lieber nicht sehen sollte ... aber alles, was dieses Mädchen auf dem Foto ausstrahlte, war Sex ... lasziv war das, unanständig, auffordernd, eine pure sexuelle Einladung ... Wie sie dastand ... den Kopf schief gelegt, eine Hand in die rechte Hüfte gestützt, die andere links gegen den Brustkorb, knapp unter die Brust ... dazu die schräg gestellten Hüften, das auf einem unsichtbaren Hocker aufgestützte Bein, und zu alledem dieser Gesichtsausdruck, den er gar nicht beschreiben konnte, beschreiben wollte ...
    Was hatte sich diese Freundin eigentlich dabei gedacht, ihm nach dem Tod seiner Tochter ein so schamloses Foto zu präsentieren? Nichts wahrscheinlich! Das war ja das Schlimme! Nichts dachten sich diese jungen Dinger bei dem, was sie da taten, und konnten sich gar nicht ausmalen in ihrer Naivität, was es für Folgen haben konnte, wenn man so herumlief.
    Er war aber natürlich ganz freundlich geblieben, er hatte sich bedankt, hatte noch gefragt: Ach ja, eine Verkleidung ... da hätten sie sicher noch mehr solcher Fotos gemacht? Und an der Art, wie sie gezögert und verschämt verneint hatte, hatte er erkannt, dass er natürlich recht hatte, dass sie ihm wahrscheinlich nur das harmloseste gebracht hatte, und er hatte sich gefragt, wie denn wohl die anderen Fotos sein mochten?
    Dieser Gesichtsausdruck von Maria, nein, das war gar nicht seine Maria, die er kannte, nein, das war nicht Maria, der Gesichtsausdruck, dieser Blick ... da kamen ihm all die unflätigen Ausdrücke in den Sinn, die es gar nicht geben sollte, die es nicht geben durfte, jedenfalls nicht, wenn es im Zusammenhang mit der eigenen Tochter war, das war verboten, es war absolut undenkbar! Und wieder gelang es ihm nicht, seinen Kopf daran zu hindern, ihn mit diesen Gedanken zu quälen, die er gerne für immer verbannt hätte ...
    Er griff sich den scharfen Brieföffner aus Edelstahl, der vor ihm auf dem Tisch lag, den ihm Maria einst zum Geburtstag geschenkt hatte mit den Worten: Damit du deine Briefe auch immer aufkriegst, Papa, sich darüber lustig machend, dass er eben jemand war, der seine Briefe sorgsam mit dem Brieföffner öffnete, statt sie einfach achtlos aufzureißen, wie es offensichtlich andere taten, dass er die Briefmarken ausschnitt und sammelte, freilich hatte sie das nur nett gemeint, verdammt noch mal, das wusste er doch, er riss das Ding hoch und rammte es mit voller Wucht in die dicke Holzplatte.
    Warum hatte er sie nicht beschützen können!
    Er warf sich in dem ächzenden alten Schreibtischstuhl zurück und atmete tief ein durch den offenen Mund. Feine Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er betrachtete den zitternden Brieföffner, der neben den vielen anderen Kerben im Holz steckte.
    Schließlich nahm er die Packung mit dem Beruhigungsmittel aus der lederbezogenen Kassette, in der er seine Medikamente aufbewahrte, und drückte ein Dragee durch die Alufolie. Er legte es

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