Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
noch was vorghabt hat vor ihrem Tod ... Angenommen, er betäubt sie nur, damit er in aller Ruhe die Spritze richtig ansetzen kann, dann braucht er s’ ja net vorher no auf an Stuhl setzen und fesseln. Fesseln braucht er s’ ja nur, wenn er damit rechnet, dass sie wieder aufwacht. Ich glaub, er hat’s sogar drauf anglegt, dass sie wieder aufwacht ...“
Hattinger sah auf die Uhr. „I muaß in Kursaal.“ Die Presse wartete schon.
21
Als er von der Pressekonferenz zurückkam zur großen Lagebesprechung, war Hattinger stinkwütend. Hatte er doch die ganz klare Order ausgegeben, dass den Medien und der Presse nichts über die Details aus Annette Kauffmanns Haus mitgeteilt werden sollte – und was fragte ihn der erstbeste Journalist: „Wie man hört, wurde Frau Kauffmann enthauptet und ihr Kopf befand sich in einem Blumenkübel! Wie wollen Sie diesen Horror beenden? Müssen die Menschen im Chiemgau jetzt Angst haben?“
Er hatte zwar versucht, sich nichts anmerken zu lassen, und den Interviewer kalt abserviert: „Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen beziehen, aber offensichtlich nicht von jemand, der mit den Fakten vertraut ist. Wenn Sie das drucken, dann auf Ihre eigene Verantwortung.“
Aber natürlich hatte das Fernsehen die Frage des Journalisten aufgezeichnet, und es reichte ja schon, wenn sie die sendeten. Die Schlagzeilen von morgen konnte er sich lebhaft vorstellen.
Anschließend im Besprechungsraum der Soko vor versammelter Mannschaft wurde Hattinger deutlicher:
„So geht’s ned! Wenn so was noch ein einziges Mal vorkommt, dass jemand so eine Anweisung ignoriert, dann wird er sofort suspendiert! Und wenn wir dahinterkommen, dass jemand möglicherweise Informationen an die Presse verkauft, dann hat das für denjenigen noch viel weitreichendere Konsequenzen! Ich hoffe, des is allen klar.“
Darauf hob ein junger Streifenpolizist schüchtern die Hand. Er bekam einen hochroten Kopf und stand auf „Herr Kommissar, ich muss Ihnen was sagen ... das tut mir leid, aber ich glaube, das war ich ... Ich hab das mit der Nachrichtensperre einfach nicht mitbekommen, ich war draußen an der Straße an der Absperrung eingeteilt, und da ist einer gekommen und hat sich nur so ein bisschen mit mir unterhalten, ich hatte das mit dem Kopf von einem Kollegen gehört, und der Mann ... ich hab gar nicht gemerkt, dass das ein Journalist war, der hat gewirkt wie ein Einheimischer ...“
„Und da ham Sie sich gedacht, der Einheimische soll des ruhig wissen, dass in seiner Nachbarschaft Frauen geköpft wern, oder was?“
„Das tut mir echt leid, Herr Kommissar. Ich hab wahrscheinlich gar nicht nachgedacht ...“
Hattinger musterte den Mann eine Weile. Der sah inzwischen wie ein Feuermelder aus. Er schien zumindest nicht in böser Absicht gehandelt zu haben.
„Also gut ... ich geh mal davon aus, dass Sie sich des ein für allemal merken, dass ma ned mit irgendwelchen Außenstehenden über Ermittlungen ratscht ... Aber ich find’s immerhin gut, dass Sie sich gemeldet ham. Damit is die Sache für mich erledigt.“
Der junge Polizist setzte sich sichtlich erleichtert.
Danach fasste Hattinger für alle noch einmal die Ergebnisse des Tages zusammen.
Bamberger konnte inzwischen bestätigen, dass es sich bei den Spuren in Annette Kauffmanns Badezimmer um Blutspuren handelte, ob es aber ihr eigenes Blut war, konnte er noch nicht mit Sicherheit sagen. Immerhin war es von der gleichen Blutgruppe, also war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch. Der Hundeführer konnte berichten, dass die Spuren am Waldrand durch das Wäldchen zu einem frequentierten Parkplatz führten, wo Spaziergänger gern ihre Autos abstellten. Ob diese Spuren vom Täter stammten, konnte er allerdings nicht sagen, denn ins Haus selbst konnten die Hunde die Spur nicht verfolgen.
Hattinger war sichtlich genervt.
„Dann konn die Spur also auch von am harmlosen Spaziergänger sei ... Gut, wir nehmen trotzdem den Parkplatz in die Fragenliste an die Öffentlichkeit auf. Ma sollt ja nie die Hoffnung aufgebn, dass irgendwer – irgendwann – irgendwo – amoi irgendwas beobachtet hat!“
Haller hatte bei den Verlagen nichts in Erfahrung bringen können, was Hattinger nicht schon von Vera Antholz gewusst hätte. Wildmann berichtete über den Computer von Annette Kauffmann, dass es darüber nichts Besonderes zu berichten gab. Noch nicht einmal einen Internetanschluss habe sie gehabt. Sie hatte ihr letztes Manuskript damit geschrieben, aber sie benutzte den
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