Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
bisschen Angst haben, dass sie gleich platzte.
Er beschloss erstmal in die Tagesthemen zu schauen, bis sich die Lage etwas abgekühlt hätte. Als er unterwegs zum Wohnzimmer aufs Klo wollte, war abgesperrt.
„Tut mir leid ... besetzt ... Herr Kommissar ...“, kam eine verzagte männliche Stimme von drinnen.
Na super, dachte Hattinger. Sollte er jetzt vielleicht auf dem Balkon scheißen, bloß weil der Herr Lover seiner Tochter den Lokus blockierte?
„Ja, ja ... freilich ... lassen Sie sich nur Zeit ...“, brummte er zurück.
Als er vor dem Fernseher saß, sah er den blonden Jüngling in Boxershorts aus dem Klo huschen und schnell in Lenas Zimmer verschwinden. Lena kam derweil frisch geduscht und dampfend in ihrem pinkfarbenen Frotteemantel aus dem Bad gepoltert.
Hattinger flüchtete schnell aufs Klo.
„Ich glaub, du gehst jetzt besser ...“, hörte er seine Tochter zu ihrem neuen Freund oder was auch immer sagen, und kurz darauf schob sie ihn aus der Wohnungstür.
Konnte einem ja fast leidtun, der arme Kerl.
Ein paar Minuten später, während er die Tagesthemen sah, hörte er aus der Küche Geklirr und Geschepper. Aha: Sie räumt auf, nahm er zur Kenntnis. Das hatte gern etwas von einem Erdbeben, einem Haushalts-Tsunami, vor allem wenn sie stinkig war. Auf Flurschäden nahm sie jedenfalls keine Rücksicht. Früher hatte er es dann immer lieber selbst gemacht, wenn er ernsthaft um Gläser und Teller bangen musste. Was aber ein Fehler war. So viel Geschirr musste man sich eben leisten.
„Geht des ah a bisserl leiser vielleicht?“, rief er Richtung Küche.
„Willst du jetzt, dass ich aufräume oder nicht!“, schrie sie. Es war keine Frage. Rrrumms, peng, schepper, klirrr – hätte jetzt in einem Comic über dem Bild eines tobenden Teenagers gestanden, in fetten, bluttriefenden Buchstaben!
„Gut, dann räume ich eben nicht auf!“, keifte Lena, während sie fortfuhr, Sachen zu zerlegen.
Hattinger zog die Wohnzimmertür zu.
Gegen Ende der Tagesthemen kam doch tatsächlich eine kurze Meldung über den Fall. Zwar nichts von der Pressekonferenz, aber ein paar wunderschöne Bilder vom Chiemsee mit einem kontrastierend beunruhigenden Wortbericht im Hintergrund. Am Schluss ein paar von Bambergers Leuten in weißen Overalls im Garten von Annette Kauffmanns Häuschen. So weit hatten sie es also schon gebracht, bis in die Tagesthemen!
Während der Wetterbericht lief und fantastische Aussichten für die nächsten Tage verkündete, ging leise die Wohnzimmertür auf und Lena kam herein. Sie hatte sich angezogen – Jeans und schwarzer Rollkragenpulli – und setzte sich ans andere Ende des Sofas. Eine Weile schaute sie Richtung Fernseher, ohne zuzusehen, dann wandte sie sich langsam ihrem Vater zu.
„Paps?“
„Ja ...“
„Tut mir leid ...“
„Was jetzt? Dass d’ in der Küch g’raucht hast?“ Hattinger stellte den Fernseher ab.
„Ich ... weißt du, ich hab einfach nicht mit dir gerechnet. Weil du doch diesen Fall ... deswegen ... haben wir, hab ich ... mir gedacht, mir eben nichts gedacht ...“ Sie wurde ein bisschen rot.
„Na ja ... is scho okay ...“ Hattinger räusperte sich. „... Solang du, sagn’ma moi, für die notwendigen ... Vorsichtsmaßnahmen, oiso verhütungstechnisch ...“
„Paps, was denkst du denn? Das ist doch sowieso klar. Wir haben’s ja nicht so gut wie ihr damals, wo’s noch kein Aids gab.“
Da hatte sie wohl recht.
„Und ... wer is denn der junge Mann?“
„Papa, den kennst du doch, das ist der Peter!“
„Oha, den hätt i ned erkannt, der hat si aber verändert.“
„Ja, find ich auch. Der ist so süß ... Und er sieht gut aus!“
„Ja, find i ah ... soweit i des als Mann beurteilen konn ...“
Lena wurde wieder rot. Sie sahen sich an und mussten beide lachen.
„Wie alt is der denn jetz?“, wollte Hattinger wissen.
„17, fast...“
„Da hast ja Glück ghabt. Wenn er über 18 wär, hätt i von Rechts wegen einschreiten müssen. Unzucht mit Minderjährigen ...“
„Das hättest du aber nicht getan, oder?“, sagte sie mit gespielter Entrüstung und war sich einen winzigen Moment doch nicht ganz sicher.
„Wer woaß? Wenn’s a blöder Typ wär ...“
„Und das würdest du dann für mich beurteilen, oder was?“
„Wer sonst, wenn ned i? I bin schließlich vom Fach. Ois Erstes verlangat i a polizeiliches Führungszeugnis.“
„Warum nicht gleich ‘nen genetischen Fingerabdrück?“
„Guade Idee! Sag amoi, i hab gedacht ... hast du
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