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Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Titel: Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bogenberger
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auch wenn die Begründung vielleicht auf wackeligen Füßen gestanden hätte. Was brachte es, jemanden zu überraschen, wenn man ihn dann doch laufen ließ, ohne das Überraschungsmoment für sich zu nutzen?
    Unten parkte gerade noch ein weiterer Wagen hinter der langen Reihe von Polizeiautos, die auf dem Waldweg aufgereiht waren wie vor einem geschlossenen Bahnübergang. Das könnte der Gerichtsmediziner sein. Hattinger beschloss umzukehren. Als er wieder bergab ging, sah er am rechten Wegrand in der Wiese etwas aufblitzen. Er bückte sich und fand eine Taschenlampe mit schickem schlanken Aluminiumgehäuse. Sie sah nagelneu aus. Er holte Plastikhandschuhe aus seiner Jacke und hob sie hoch. Ein Druck auf den Schalter entlockte ihr einen erstaunlich hellen Lichtstrahl. Lang konnte die hier noch nicht liegen ...
    Als er wieder bei dem Benz ankam, überreichte er sie Fred Bamberger, der anerkennend nickte. Er ließ sie gleich in eine seiner durchsichtigen Kunststoffhüllen gleiten.
    „LED-Lampn. Genau so oane hab i ma neulich ah kauft, im Baumarkt. De san super, sauhell, und brauchan ned vui Batterie ...“
    Der Rechtsmediziner, den sie geschickt hatten, war schon wieder Dr. Keul. Er kam mit seinem großen Alukoffer energisch den Weg heraufgestapft.
    „Wollen Sie mich nicht gleich für die ganzen Osterferien abonnieren? Dann ziehe ich so lange hier raus ... Ich mach Ihnen einen Super-Pauschalp reis. Und, was haben wir hier?“
    „An unklaren Selbstmord.“
    Dr. Keul packte seine Gerätschaften aus und machte sich an die Inspektion des Toten. Er sah sich die Leiche kurz aus der Nähe an, das Gesicht, dann tauchte er schnell wieder aus dem Wagen auf und sah sich den Aufbau an, mit dem Schlauch und allem Drum und Dran.
    „Ich nehme doch an, das soll einen Selbstmord mit Auspuffgasen darstellen?“
    Hattinger wurde bei der Wortwahl des Rechtsmediziners sofort hellhörig. „Offensichtlich, warum?“
    „Das ist sehr unwahrscheinlich. Sehen Sie mal, sein Gesicht, wie sieht das aus?“
    „Ich weiß jetzt nicht, was Sie meinen, aber ...“, Hattinger beugte sich ein Stückchen vor in den Wagen, „... ich würd sagen ... schlecht ... Grau, blaue Lippen, bleich, käsig ... also tot halt ... oder?“
    „Genau. Das sehen Sie völlig richtig.“
    Wenn einen ein gestandener Rechtsmediziner lobte, musste irgendwo ein Haken sein, dachte Hattinger. „Ja, und ...?“
    „Also, bei einer Vergiftung durch Auspuffgase handelt es sich letztlich um eine Kohlenmonoxid-Vergiftung. Das ist ein Gas, das bei Verbrennung entsteht, und es hat die fatale Eigenschaft, dass es eine zweibis dreihundertmal höhere Bindungsfähigkeit an rote Blutkörperchen hat als Sauerstoff. Wenn also Kohlenmonoxid in der Luft enthalten ist, die wir einatmen, dann verdrängt es relativ rasch den Sauerstoff, unsere roten Blutkörperchen sind glücklich damit, sie werden das Kohlenmonoxid gar nicht mehr los, sie können zwar keinen Sauerstoff mehr transportieren, aber sie sind schön rot, während wir innerlich ersticken.“
    „Sie meinen also ...“
    „Genau! Ein mit Kohlenmonoxid Vergifteter sieht normalerweise aus wie das blühende Leben – er hat eine gesunde Hautfarbe und rosige Lippen, wohingegen dieser Mann, wie Sie selbst treffend diagnostiziert haben ...“
    „... schlecht ausschaut.“
    „Allerdings. Und wenn wir davon ausgehen, dass vermutlich über Stunden Kohlenmonoxid in dieses Fahrzeug geblasen wurde, während der Mann sich in seinem Inneren befand, dann lässt das nur den Schluss zu, dass er da bereits nicht mehr geatmet hat, also schon tot war, als das Gebläse begann.“
    „Danke. Des deckt sich ja zufällig genau mit dem, was ich vermutet hab ... Aber ham Sie auch a Idee, woran er dann wirklich gstorbn sein könnt?“
    „Ich glaube schon, das ist ein ziemlich charakteristischer Geruch, der ist zwar durch das Lüften weitgehend verflogen, aber ... kommen Sie noch mal her!“ Er öffnete mit einer Hand den Mund des alten Mannes. „Riechen Sie das? Das ist, ohne dass ich mich mit dieser Aussage allzu weit aus dem Fenster lehnen würde, Chloroform-Geruch. Also ich meine, dass dieser Mann an einer Überdosis Chloroform gestorben ist, und er war tot, bevor dieser ganze Mumpitz mit ihm veranstaltet wurde.“

32
    Als Erstes ordnete Hattinger eine absolute Informationssperre an, dieses Mal durfte wirklich nichts von der Mordtheorie nach draußen durchsickern.
    Dr. Schanderl hatte Selbstmord begangen, zumindest so lange, bis das Gegenteil

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