Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
Bamberger schenkte sich erstmal einen Kaffee ein und holte sich eine Wurstsemmel vom Nebentisch. Er schien recht zufrieden, dafür dass er so mit Arbeit eingedeckt war.
„Und wie steht’s im Haus von Wolfgang Pichler selbst?“, interessierte sich Martin Haller.
„Da steh’ma no ziemlich am Anfang“, antwortete Fred Bamberger kauend. „Ziemlich unübersichtliche Angelegenheit. Vor allem miass’ma da unsere Elektroniker no dransetzen, weil der offensichtlich des ganze Haus verkabelt hat. Und oben samma no gar ned drin gwesn. Mir wolltn ah die zwoa Mädel ned unnötig beunruhigen ... Die ham si’ natürlich scho gfragt, was da los is.“
Hattinger war entschlossen, die Sache jetzt so schnell wie möglich voranzutreiben. „Die befragn ma später ah no, aber jetzt nehm’ ma uns erst den Pichler vor.“ Vielleicht würde er ja schnell gestehen, wenn er erfuhr, was sie ihm jetzt schon alles nachweisen konnten.
Hattinger gab Anweisung, Pichler in den Verhörraum zu bringen und auch Staatsanwalt Reißberger zu unterrichten, da kam Andrea Erhard mit einem schlaksigen jungen Mann herein, den sie als Georg Kammermeier vorstellte. Er war einer der Computerfritzen, wie Bamberger sie nannte, und hatte Pichlers Laptop unterm Arm.
„Das wollte ich Ihnen gleich zeigen, Herr Kommissar.“ Er klappte den Laptop auf und startete ihn. „Der Herr Pichler ist ein echter Videofreak“, erzählte er, während das Windows-Betriebssystem in quälender Langsamkeit hochfuhr, „aber ein ziemlich naiver.
Er hat nichts verschlüsselt oder passwortgesichert. Wir haben schon lang keinen mehr gehabt, der uns die Arbeit so leichtgemacht hat. Muss sich recht sicher gefühlt haben.“
Alle im Raum wurden ziemlich neugierig und versammelten sich um den Laptop und sahen Windows ungeduldig beim Starten zu.
„Hier sind Hunderte von Videos drauf, und wir konnten in der kurzen Zeit ja auch nur in einige reinschauen, aber der Ordner hier hat uns gleich angesprungen.“
Kammermeier öffnete einen Ordner, der mit A.K. bezeichnet war und startete das erste Video.
„Öha. Ja da schau her!“ Der Ausruf schien in diesem Fall langsam zu Hattingers Standardspruch zu werden.
Alle rückten noch ein bisschen näher. Das bildschirmfüllende Video zeigte eine sonnenbeschienene, holzbeplankte Terrasse, von Pflanzen geschützt, einen bunten, segeltuchbespannten Liegestuhl und dahinter die Terrassentür, aus der die nackte Annette Kauffmann trat, mit einem Ringbuch in der einen und einer Flasche Sonnenmilch in der anderen Hand. Sie legte sich in den Liegestuhl und cremte sich in aller Ruhe ein. Dann lehnte sie sich zurück und schloss die Augen und genoss ganz offensichtlich die Sonne.
Sie sah wirklich gut aus. Sie war auch schon ziemlich gut vorgebräunt. So lag sie da ...
Dazu zwitscherten die Vögel. Auch ein Specht war zu hören. Ganz von fern ein Rasenmäher. Das Video war wirklich von guter Qualität, scharf, detailreich, gute Farben ...
„Aha ...“, meinte Hattinger nach einer Weile, „... und ...?“
Alle hingen weiter am Bildschirm und sahen einer gutaussehenden, nackten Frau beim Sonnenbaden zu.
„Nichts und ...“, antwortete Kammermeier. Er scrollte im Schnelldurchlauf durch das ganze Video, es passierte aber nichts weiter, als dass die mittlerweile nicht mehr unter den Lebenden weilende Annette Kauffmann in der Sonne lag, bis sie irgendwann wieder aufstand und ins Haus zurückkehrte, weil es ihr wohl zu heiß geworden war.
„Da gibt es einige von der Sorte, und auch ein paar, in denen er sie nachts im Haus gefilmt hat, durch die Fenster. Alles in allem aber wenig aufregend, soweit es Frau Kauffmann betrifft.“
Die Zuschauer waren auch fast etwas enttäuscht, sie hatten insgeheim Spektakuläreres erwartet.
„A Spanner also, unser Herr Pichler. Von wann is denn des Video?“, wollte Hattinger wissen.
„Vom letzten Sommer.“
„Des muaß er von dem Jägerstand aus gfilmt ham, hinter der Wiesn“, meinte Bamberger.
Hattinger nickte.
„Es gibt aber auch haufenweise andere Ordner, alle akribisch mit Initialen beschriftet. Das hier ist vom Datum her das letzte Video ...“ Kammermeier öffnete es und klickte irgendwo mitten rein. Es war in einem Innenraum aufgenommen. Der Bildausschnitt bewegte sich nicht, die Kamera war wohl fest installiert. Vermutlich an der Decke. Leises, wohliges Stöhnen war aus den kleinen Laptop-Lautsprechern zu vernehmen, und zwei junge unbekleidete Frauen beschäftigten sich miteinander in sehr
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