Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
nur recht sein. Selbstverständlich können Sie meinen Freund anrufen ... Wissen Sie, Herr Kommissar, ich versuche schon seit langer Zeit, diese schmerzhaften Ereignisse zu vergessen ...“
Ostermeier drehte den Kopf leicht und sah aus dem Fenster. Draußen begann es bereits zu dämmern.
„Das gelingt mir natürlich nicht, aber es geht mir besser, wenn ich nicht daran erinnert werde. Es ist schon sehr lange her, aber es tut immer noch weh ...“
Er blickte in die Ferne. Seine Augen wurden langsam feucht. Andrea Erhard sah Hattinger an. Der gab sich einen Ruck.
„Ja ... Herr Ostermeier, für den Moment war’s des, glaub ich. Wenn Sie uns dann nur noch die Nummer von Ihrem Freund mitgeben würden ...“
Abrecht Ostermeier tauchte aus der Ferne wieder auf.
„Sicher ... Er heißt Gert Bürklin, Gert mit T. Die Nummer muss ich holen ...“
Er stand auf und ging Richtung Küche.
„... wissen Sie, Telefonnummern kann ich mir nicht mehr merken, Azheimer lässt grüßen ...“
Mit einem kleinen braunen Adressbuch mit Ledereinband kam er wieder heraus und zog die Küchentür hinter sich zu.
„Hier ist es ... Gert Bürklin ...“ Er diktierte Hattinger eine Nummer mit Schweizer Vorwahl. „Sie werden ihn nur jetzt nicht erreichen, weil er heute früh ebenfalls aufgebrochen ist, um seine Freundin zu besuchen, aber morgen Abend wollte er wieder zuhause sein.“
„Haben Sie seine Handynummer?“
„Wissen Sie, Herr Kommissar, wir gehören beide zu jener vorsintflutlichen Spezies, die nicht jeden technischen Schnickschnack mitmacht, nur weil es ihn gibt. Wir haben beide kein Mobiltelefon. Ich wüsste auch gar nicht, wen ich damit anrufen sollte. Wenn man Familie hätte, dann vielleicht ...“
„Oder die Nummer von der Freundin?“
„Ich weiß nur, dass sie Elsa heißt und in Genf wohnt, aber ich hatte noch nicht das Vergnügen, die Dame kennenzulernen.“
„Ja dann ...“ Hattinger steckte seinen Notizblock ein. „Haben Sie in der nächsten Zeit irgendwelche Reisen geplant?“
„Nein, warum?“
„Es war gut, wenn Sie sich zu unserer Verfügung halten würden, falls noch Fragen auftauchen sollte ten.
Sie wandten sich zum Gehen. Hattinger drehte sich noch mal um.
„Eines noch hätt mich interessiert: Ihre Tochter war damals 15, des is ja schon noch recht jung, um schwanger zu werden, oder? Von wem war Ihre Tochter denn schwanger?“
„Das wollte sie uns nicht sagen ... Wir haben mit Engelszungen auf sie eingeredet, aber sie wollte nicht damit herausrücken. Aber nachdem sie sich dann zuletzt doch noch für den Abbruch entschieden hatte, war es auch nicht mehr so wichtig.“
„Hat sie denn an Freund ghabt zu der Zeit?“
„Nein, eben nicht, sonst hätten wir es ja vermutlich gewusst.“
Hattinger und Erhard verabschiedeten sich. Sie zogen das Gartentor hinter sich zu.
„Engelszungen ... Des konn i ma lebhaft vorstelln“, murmelte Hattinger.
„Oiso, mir duat der irgendwia leid“, entgegnete Andrea Erhard.
„Des is mir ned entgangen. Mir is der ned ganz geheuer ...“
35
„So Hattinger, jetzt rat’st amoi, was mir bei dem Pichler im Keller gfundn ham!“ Mit den Worten wuchtete Fred Bamberger einen großen Pappkarton auf den Tisch des Besprechungsraums.
„Was woaß denn i?“ Hattinger betrachtete neugierig den Karton. „Es werd scho was Wichtigs sei, wenn du uns extra dei Aufwartung machst ...“
Bamberger öffnete den Karton und zog eines von vielen bunten, abgegriffenen Notizbüchern heraus: „Die Tagebücher von der Kauffmann.“
Das war allerdings ein Fund, der den Anwesenden ein erstauntes Raunen entlockte.
„Und no was hab i: Die Fingerabdrück, die mir im Haus von der Kauffmann gfundn ham – da san fast überall welche vom Pichler dabei!“ Für seine Verhältnisse war Bamberger fast freudig erregt über die Erkenntnisse, die er präsentieren konnte.
„Bingo!“ Hattinger schaute in die Runde. „Jetzt glaub i langsam wirklich, dass der Pichler unser Mann is.“
„Das kann tatsächlich kein Zufall mehr sein“, bekräftigte Wildmann.
„Naa, der war im ganzen Haus unterwegs, vor allem im Wohnzimmer und im Schlafzimmer, aber ah an der Küchenzeile waren seine Abdrück. Guad, im Bad, da war ja sehr guad sauber gmacht, da hamma no nix gfundn.“
„Und im Keller, an der Kühltruhe?“, wollte Hattinger wissen.
„Fehlanzeige. Die war ziemlich sauber abgwischt. Und die DNA-Analysen dauern natürlich no a paar Tag. Sei Probe hamma ja erst seit a paar Stund.“
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