Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
Vom Netzwerk:
vorangehen, um ihnen den Weg zu zeigen, doch der Lieutenant hielt sie zurück. «Die Herren Offiziere werden sich die nötige Kenntnis des Terrains aneignen und den Aufgang alleine finden.»
    Die Offiziere verschwanden nach oben. Lady Georgiana hatte bisher nichts gesagt und sich abseits gehalten. Nun war ihr der Widerwille deutlich anzumerken. Sie legte dem Lieutenant die Hand auf den Arm und raunte: «Christian, das gefällt mir nicht. Das hier ist mehr als nur ein bisschen Flunkern. Was, wenn wir vor Gericht aussagen müssen?»
    «Denk daran, Georgiana. Du wolltest das Spiel spielen, nun hast du den Regeln zu folgen», ermahnte ihr Cousin sie leise.
    Sie schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme.
    Der Konsul hatte die Auseinandersetzung mitverfolgt, nun meinte er begütigend. «Lady Georgiana, es wird kaum zu einer gerichtlichen Untersuchung kommen, doch selbst wenn, so werden die Schweizer Sie nicht vorladen. Man wird auf Ihre Stellung und Ihr Geschlecht Rücksicht nehmen.»
    Der Lieutenant war in weniger milder Stimmung. «Falls ein Meineid das Schlimmste ist, was je von dir verlangt wird, solltest du dich glücklich schätzen. Du hast dich freiwillig auf diese Sache eingelassen, Ammann hatte dieses Privileg nicht. Denk daran, Frau Göweil hätte auch dich oder Anna getötet, wenn es ihren Zwecken dienlich gewesen wäre. Ob wir hier Zeugen eines Mordes wurden oder ob Frau Göweil wirklich einen Herzschlag erlitt, ist für deinen Auftrag unerheblich. Es wäre wirklich das Beste, du stellst dein Ehrgefühl nicht über praktischere Überlegungen – nicht nur für alle Beteiligten, sondern auch für deinen Verlobten und dich.»
    Er hatte recht. Wenn sie sich als unzuverlässige Agentin erwies, die ihre Gefühle über ihren Auftrag stellte, würde das auch der Karriere ihres Verlobten nicht zuträglich sein. Und Anna hatte keine Zweifel, dass London ebenfalls nicht daran interessiert war, dass diese Geschichte öffentlich bekannt wurde. Sie begann, den Widerwillen des Lieutenants immer besser zu verstehen.
    «Und vielleicht denkst du auch einmal daran, was mit jenen geschieht, die nur unseretwegen in diese Angelegenheit verstrickt wurden», fuhr der Lieutenant fort. «Fräulein Staufer und Henning können in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.»
    Anna wollte nichts mehr hören. Sie trat zu der Leiche – die Frau Kommerzialrat erschien klein und zerbrechlich, fast verschlungen von schwarzen Rüschen, Spitzen und Jettperlen. Der Anblick gemahnte Anna an einen toten Vogel. Frau Göweil hatte für ihre Taten bezahlt. Ihre Standesgenossen, die mit ihren Fehden und Intrigen so viel Leid angerichtet hatten, würden nun bald alle aus dem Hotel verschwinden. Nur Frau Göweils Handlanger kamen wohl ungeschoren davon. Gerechtigkeit sah anders aus. Anna erinnerte sich an die Warnung des Lieutenants. Jetzt wusste sie, was er gemeint hatte. Sie wandte sich von der toten Frau ab.
    Der Konsul stand immer noch bei Lady Georgiana und Lieutenant Wyndham. «Also gut, Exzellenz», sagte Lady Georgiana eben, «ich werde mich nach Ihnen richten, hoffentlich wird diese grausige Angelegenheit bald erledigt sein. Ich will nur noch fort von hier.» Sie blickte zu Frau Göweils Leiche und drehte den Kopf schnell wieder weg. «Ich bitte um Entschuldigung, ich kann einfach nicht hierbleiben und zusehen. Ich werde draussen warten.»
    Die Offiziere kamen mit der Bahre zurück, und der Konsul erteilte leise Anweisungen. Madame Gérard erhob sich und strich ihren Mantel glatt. «Wunderbar, damit ist fast alles geregelt. Allerdings weiss ich nicht, wo der Revolver der Frau Kommerzialrat abgeblieben ist. Sie sollten danach suchen, die Wäscherinnen werden bald zurück sein.»
    Es begann eine hektische Suche, an der Anna sich nicht beteiligen mochte. Sie trat zu Lieutenant Wyndham und fragte leise: «Ist es immer so?»
    «Ja, genau so. Man muss lügen und betrügen, sogar mit Leuten kooperieren, die man verabscheut, und die Wahrheit mit Füssen treten. Es ist eine harte Lektion, aber es ist an der Zeit, dass Lady Georgiana sie endlich lernt. Ihr Überleben mag eines Tages davon abhängen.»
    Henning hatte die Waffe inzwischen unter einer der Wäschewinden hervorgeholt und dem Konsul überreicht. Er kehrte zu Anna zurück. «Puh, hoffentlich können wir hier bald weg. Ich teile die Gefühle von Lady Georgiana.»
    Lieutenant Wyndham wandte sich ihm zu. «Vielen Dank für Ihre Hilfe. Darf ich vorschlagen, dass Sie die kompromittierenden billets

Weitere Kostenlose Bücher