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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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Mister Derringer, Henning oder Lady Georgiana anzusehen. Sie trat einen Schritt zur Seite und hoffte, niemand würde sie beachten.
    Inzwischen war ein heftiger Streit über das weitere Vorgehen entbrannt. Die Herren Offiziere waren anscheinend nicht mehr bereit, Madame Gérards Geschichte zu bezeugen.
    «Die Frau war vielleicht verrückt, aber sie war auch Agentin einer verbündeten Regierung. Und nun wurde sie in Ausübung ihres Dienstes ermordet.» Oberleutnant Ranke war offensichtlich wütend über seinen verpatzten Auftrag und darauf aus, irgendjemanden dafür zahlen zu lassen. Die Enttarnung und Verhaftung einer französischen Agentin würde sich in seinem Bericht nach Berlin gut machen.
    Monsieur Gérard stellte sich vor seine Frau. «Sie haben für diese monströse Behauptung keine Beweise. Wenn Sie unbedingt wollen, dass diese ganze Sache in Polizeirapporten und Gerichtsverfahren ausgebreitet wird, dann nur zu. Es wird für das Publikum in Frankreich und Deutschland interessant zu lesen sein, wie ein deutscher Offizier sich auf Befehl seiner Regierung in eine widernatürliche Affäre stürzt. Das Tüpfelchen auf dem i dieser Geschichte ist natürlich, dass Sie Ihre Aufmerksamkeiten der falschen Person widmeten und Ihre Sektion  III b also ganz vergebens einen aus den eigenen Reihen zur Hurerei zwang. Oder war vielleicht gar kein Zwang im Spiel?»
    «Sie Kanaille! Sie können von Glück sagen, dass Sie nicht satisfaktionsfähig sind!»
    «Ha! Das bin ich sehr wohl, so wie jeder französische Bürger. Sie berufen sich doch nur aus Feigheit auf die antiquierten Regeln Ihres Reiches.»
    Das war zu viel. Mit fahrigen Fingern zerrte Oberleutnant Ranke an einem seiner Lederhandschuhe, um ihn Monsieur Gérard ins Gesicht zu schlagen.
    Der Konsul trat eilig dazwischen. «Haben Sie den Verstand verloren? Ein Duell ist wirklich das Letzte, was wir jetzt brauchen. Wir haben hier bereits eine Leiche, die wir den Schweizer Behörden erklären müssen.»
    Der Oberleutnant kämpfte mit sich, dann trat er einen Schritt zurück. «Nun gut, aber glauben Sie ja nicht, wir würden dabei helfen, diese schmutzige Geschichte zu vertuschen. Tun Sie doch alle, was Sie wollen – wir gehen jetzt!» Doch er brauchte jemanden, an dem er sein Mütchen kühlen konnte. Sein Blick fiel auf Anna. «Was Sie anbelangt, Fräulein, so werde ich dafür sorgen, dass Sie Ihrer Lebtage keine anständige Stellung mehr finden werden.»
    «Oh, ich glaube, Fräulein Staufer braucht sich deshalb keine Sorgen zu machen», meinte Henning milde. «Sie Blüte des preussischen Offizierswesens haben in Ihrer unglaublichen Arroganz doch wirklich gedacht, es wäre nicht nötig, Ihre billets doux an mich zurückzufordern? Dachten Sie vielleicht, ich ‹weibisches Mannsbild› würde nicht begreifen, was für eine Waffe ich damit in Händen halte?» Er griff in seine Manteltasche und holte ein kleines Bündel Papiere hervor.
    Oberleutnant Ranke wollte sich auf ihn stürzen, doch er wurde vom Anblick der Waffe aufgehalten, die auf einmal in Lieutenant Wyndhams Hand aufgetaucht war.
    Henning steckte die Briefe wieder ein. «Ich trage sie bei mir, weil ich mir dachte, es würde Ihnen noch einfallen und Sie würden meine Kammer durchsuchen lassen. Diese Brieflein mögen nicht so viel wert sein wie die Blätter, die dort in der Seifenlauge köcheln. Aber wenn ich sie den richtigen Personen überlasse, dann ist es mit Ihrer Karriere vorbei, Herr Oberleutnant. Das Deutsche Reich wird sich keine Affäre Redl leisten wollen.» Er wandte sich den beiden Kameraden Rankes zu. «Auch Ihre Karrieren, meine Herren, stehen auf dem Spiel.»
    Madame Gérard lachte leise. Der Oberleutnant war ausser sich. «Wie können Sie es wagen? Das ist Landesverrat!»
    «Was denn? Ihre Gedanken dazu, dass wahre Liebesbande nur zwischen Männern bestehen können, da jede Beziehung zu Frauen durch den tierischen Trieb zur Fortpflanzung befleckt wird? Dabei dürfte es sich wohl kaum um ein Staatsgeheimnis handeln.» Henning genoss es offenbar, dem Herrn Oberleutnant so zuzusetzen. Anna konnte es ihm nicht verdenken.
    Der Konsul räusperte sich. «Nun, meine Herren – es ist Zeit, dass Sie sich entscheiden. Wollen Sie, dass sich diese Sache zu einem internationalen Skandal ausweitet, der Ihre Karrieren sehr schnell beenden wird? Oder werden Sie dabei helfen, diese Angelegenheit unauffällig zu Ende zu bringen? Mir kann es egal sein. Ich komme aus dieser Geschichte so oder so ungeschoren

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