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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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worauf die Frage abzielte. Sie meinte schlicht: «Ich werde Zimmer und Salons kontrollieren und bei den Vorbereitungen für den Neujahrsball helfen.»
    Sie dachte schon, Lady Georgiana würde nicht nachgeben und ihre Frage deutlicher stellen, doch nach einem langen Moment des Schweigens schüttelte diese nur den Kopf. Das Wasser begann recht laut zu plätschern, aber Lady Georgiana schien das nicht zu hören. Anna ging in das Badezimmer, um den Hahn zuzudrehen.
    «Ich frage mich, wo Mister Seymour steckt.» Lady Georgiana stand hinter Anna im Türrahmen. Diesen Teil der Geschichte hatte ihr offenbar noch niemand zu erzählen gewagt. Anna war darauf auch nicht sonderlich erpicht.
    «Ich werde mich nach ihm erkundigen», meinte sie.
    Sie war bereits an der Tür, als Lady Georgiana leise sagte: «Pagets Gicht ist besser geworden. Ich werde Ihre Dienste nicht mehr benötigen, Miss Staufer.»
    Die Hand auf der Klinke antwortete Anna, ohne sich umzudrehen: «Wie Mylady wünschen.»
    In der Kleinen Suite herrschte trügerische Ruhe. Paget hatte Anna die Tür geöffnet und sass nun wieder am Esstisch, wo sie sich mit einer Frivolité-Arbeit beschäftigte.
    Anna betrachtete den schnarchenden Mann auf dem Sofa, es schien ihm so weit gut zu gehen.
    «Lady Georgiana macht sich Sorgen um Mister Seymour», begann sie zögernd.
    Doch Paget hatte bereits verstanden. «Ich werde mit Mylady sprechen. Ich weiss nicht genau, was geschehen ist, aber ich nehme an, Lieutenant Wyndham wollte Mister Seymour zu seiner eigenen Sicherheit hierbehalten. Und das war wohl der einfachste Weg.»
    Anna war erleichtert, dass ihr das Gespräch mit Lady Georgiana erspart blieb. Aber das war nicht ihre Hauptsorge, sie blickte zur verschlossenen Schlafzimmertür.
    «Dem Lieutenant geht es nicht gut», sagte Paget und legte die Handarbeit zur Seite. «Ich fürchte, er hat sich überanstrengt. Er sollte sich jetzt etwas ausruhen. Nun, zumindest scheint er das kleine Problem, das Mylady und Mister Seymour hierherbrachte, zu aller Zufriedenheit gelöst zu haben.»
    So konnte man es auch sehen.
    Aus dem Speisesaal war gedämpftes Murmeln und das leise Klirren von Gläsern und Porzellan zu hören. Die Gäste waren immer noch an der Mittagstafel. Herr Ganz hingegen war bereits vom Essen zurück und auf seinem Posten. Er winkte Anna zu sich an die Réception.
    «Ach, da sind Sie ja, Fräulein Staufer! Was für ein Morgen! Wie ich gehört habe, waren Sie auch in der Dépendance. Wie ausgesprochen anständig von Madame Gérard, sich der traurigen Angelegenheit anzunehmen, damit Sie sich um Lieutenant Wyndham kümmern können.»
    Diese Version stammte wohl von Madame, die auch unter widrigsten Umständen weder ihre Beobachtungsgabe noch den Sinn für boshaften Humor verlor.
    «Die arme Frau Kommerzialrat», meinte Herr Ganz. «Doktor Reber war eben hier, er meinte, es handle sich um einen Herzschlag, aber er hat sich mit der Untersuchung Zeit gelassen. Dabei konnte er nun wirklich nichts Ungewöhnliches finden bis auf einen Kratzer am Handgelenk. Madame Gérard sagte, der müsste wohl von der Berberitze im Park stammen. Ich habe Herrn Brehm ja schon immer gesagt, das ist nichts. Die Leute greifen immer nach den Beeren, und dann verletzen sie sich an diesen langen Dornen.»
    «Wird es Schwierigkeiten geben?»
    «Wohl kaum. Die Dame war nicht mehr die Jüngste, und der Kummer um ihren Gatten hat wohl das Seine dazu beigetragen. Der Konsul, die Herren Offiziere, die Gérards und Lady Georgiana Darby waren ja alle zugegen, als es passierte. Trotzdem, ich persönlich glaube ja nicht, dass Frau Göweil einfach so schlecht wurde.»
    «Wie meinen Sie das, Herr Ganz?» Anna war etwas beunruhigt.
    «Nun, es ist kein Geheimnis, dass Madame Gérard und die Frau Kommerzialrat sich nicht besonders gut vertragen haben. Wahrscheinlich gerieten die beiden im Park aneinander. Ganz bestimmt war Madame Gérard nicht bewusst, dass ihre kleinen Sticheleien derart dramatische Folgen haben könnten – das möchte ich ihr keinesfalls unterstellen.»
    Glücklicherweise schien er von Anna darauf keine Erwiderung zu erwarten. Er fuhr kopfschüttelnd fort: «Jemand scheint um diese Zeit auch Feuerwerk gezündet zu haben. Ich bin mir sicher, zwei Knaller gehört zu haben. Die Pagen hatten heute allerlei Unsinn im Kopf, vielleicht haben sie sich Kanonenschläge gekauft. Ich hoffe sehr, dass sich die Frau Kommerzialrat nicht darob erschreckt hat. Allerdings hat keiner der anwesenden Herrschaften

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