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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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erleichtert, endlich einen guten Grund dafür zu hören, warum der Lieutenant letzte Nacht eine geladene Waffe zur Hand gehabt hatte. Die in dieser erstaunlichen Konversation gelieferte Erklärung wollte ihr zwar auch nicht recht gefallen, aber sie war besser als jene, vor der sie sich bisher gefürchtet hatte.
    «Du gedenkst also nicht, mir zu verraten, woher dein Wissen stammt? Wenn es nicht Hastings war, dann vielleicht irgendeine geheimnisvolle Dame im Dienst einer fremden Macht, die dich verpflichten möchte?» Lady Georgiana war wieder aufgestanden. Sie wanderte langsam die Wände entlang und studierte scheinbar beiläufig die Bücherschränke.
    «Du bist wirklich unverbesserlich, Georgiana. Angriff mag die beste Verteidigung sein, aber ich spiele dieses Spiel schon ein wenig länger als du. Du kannst von mir keine Antworten erwarten, ohne selbst welche zu liefern.»
    «Ach, zum Teufel damit, wenn du schon über alles Bescheid weisst, kann ich mir die Mühe wirklich sparen», war die ziemlich undamenhafte Erwiderung. «Aber sag mir zuerst noch, wer denn letzte Nacht hier eingedrungen ist. Und ob sie Erfolg hatten.»
    «Die Italiener vielleicht, obwohl man meinen könnte, sie hätten jetzt mit Nordafrika genug zu tun. Und Erfolg hatte der Mann nur, wenn du damit meinst, dass er entkommen ist. Und jetzt sag mir, was ist so wichtig, dass man sich all die Mühe machte, mich hier als Lockvogel zu platzieren? Wollte man sehen, wer alles nervös wird und irgendeine Dummheit begeht?»
    «Also gut, die Katze ist ja eh schon zur Hälfte aus dem Sack.» Lady Georgiana stand nun direkt neben der Schlafzimmertür. Anna konnte ihr Parfum riechen, es duftete nach Rosen und Sommer. Einmal mehr fragte sie sich, warum der Lieutenant zuliess, dass sie das alles zu hören bekam. Vielleicht hatte er nicht damit gerechnet, dass seine Cousine so unumwunden Auskunft geben würde. Oder er war von dem, was Lady Georgiana zu sagen hatte, so in Anspruch genommen, dass er die Bedienstete in seinem Schlafzimmer darüber komplett vergessen hatte.
    «Georgiana, du machst mich mit diesem ständigen Hin und Her nervös. Komm, setz dich bitte wieder und dann erzähl mir den Part der Geschichte, den ich noch nicht kenne.»
    Lady Georgiana kam der Aufforderung nach. Anna lehnte sich sachte an die Wand und holte tief Luft, während die Lady zu erzählen begann: «Letzten Frühling erhielten Militärattachés, Botschafter und einige Minister aller grossen Mächte von Professor Hatvany einen Brief. Er teilte ihnen mit, dass er ein neues System zum Verschlüsseln von Texten entwickelt habe, das sämtliche Forderungen dieses Professors mit dem komischen Namen erfüllt.»
    «Kerckhoffs’ Prinzipien», meinte der Lieutenant.
    «Hastings hatte seine Zweifel an diesem Schreiben, aber immerhin war das ja nicht die Behauptung irgendeines Wirrkopfes, sondern eines der führenden Experten auf dem Gebiet. Und Hastings ist nicht erfahren genug, zumindest hiess es das. Überhaupt hört man inzwischen auch kaum noch auf den NID . Wie auch immer, der Professor schrieb, er hätte eine solche Chiffre entwickelt und er würde sie der europäischen Macht überlassen, die am ehesten den Frieden auf dem Kontinent garantieren könne. Er lud Vertreter aller interessierten Mächte zu Verhandlungen an einen neutralen Ort ein.»
    «Lass mich raten? Dieses Treffen sollte hier in Sternenbach stattfinden?»
    «Ja, genau. Aber dann reisten der Professor und seine Gattin vor dem verabredeten Zeitpunkt wieder ab.»
    «Wahrscheinlich, weil bereits bei ihrer Ankunft irgendwelche zwielichtigen Gestalten den Professor zu überreden versuchten, sein Werk ihrer geliebten Nation zu überlassen.»
    «Mir ist nicht bekannt, was die Hatvanys zu ihrer Abreise bewogen hat. Ich weiss nur, dass sie von hier nach Südfrankreich aufbrachen, und dort kam es dann zur Tragödie. Ich weiss, du hast die Hatvanys gekannt – es tut mir sehr leid.»
    Anna versuchte, sich an die Gäste des vergangenen Sommers zu erinnern. Die Vorstellung, dass direkt unter ihrer Nase eine solche Konferenz – oder wohl eher ein Basar – hatte ablaufen sollen, ohne dass sie etwas davon bemerkt hatte, wollte ihr gar nicht gefallen. Wenn der Lieutenant richtiglag, so hatte jemand die Hatvanys eingeschüchtert oder gar so verschreckt, dass sie das Hotel verliessen. Dieser Jemand war vielleicht auch für ihren Tod verantwortlich. Und ihr war nichts, aber auch gar nichts aufgefallen – zumindest nicht bis zu dem

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