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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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unheilvollen Stelldichein der Baronin vom Helmdorf. Diese Episode erschien nun auf einmal in einem noch viel unheimlicheren Licht als zuvor.
    Es klopfte; wohl auf Anweisung des Patrons brachte ein Zimmerkellner Tee. Lady Georgiana wies ihn an, das Tablett auf den Salontisch zu stellen, und übernahm das Servieren.
    «Der Direktor scheint nicht zu wissen, dass du Kaffee vorziehst», meinte sie leichthin, als sie ihrem Cousin die Tasse reichte.
    «Der Direktor weiss vieles nicht. Und es hat den Anschein, dass er das genau so haben will.»
    Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, doch als er nichts weiter sagte, fuhr sie mit ihrer Erzählung fort. «Was genau in Nizza geschehen ist, weiss niemand. Es ist aber bekannt, dass ein Mitglied des Deuxième Bureau im selben Hotel wie die Hatvanys logierte. Vielleicht hat er die Hatvanys umgebracht und es dann wie Mord und Selbstmord aussehen lassen.»
    «Nein, das glaube ich nicht. Der Mann war wohl eher zu Verhandlungen dort. Wären die Franzosen für die Geschichte verantwortlich, hätten sie keine Untersuchung durch die Tigerbrigaden angeordnet.»
    «Ich möchte wirklich wissen, woher du das alles weißt!»
    Er ging wieder nicht auf diese Frage ein und fuhr in seinem Gedankengang fort. «Die Franzosen haben anscheinend an der Riviera nichts gefunden, oder zumindest tun sie so. Warum aber wird nun wieder hier gesucht?»
    «Hier in diesen Räumen wurde das Manuskript des Professors zum letzten Mal gesehen, darüber gibt es verlässliche Berichte.»
    «Aha. Nun sag mir noch eines, Georgiana: Wenn von Anfang an geplant war, mich hier als ahnungslosen Lockvogel einzusetzen, wer bitte sollte dann den Jäger spielen? Wer auch immer es ist, er hat letzte Nacht nicht gerade gute Arbeit geleistet.»
    «Nun ja, es war nicht vorauszusehen, dass du ausgerechnet in den Räumen des Professors untergebracht wirst. Der Plan war einfach, dich vor Ort zu platzieren und dann zu sehen, was geschieht.»
    Der Lieutenant lachte leise, aber es klang nicht besonders froh. «Mit anderen Worten, der Plan – wenn man es denn so nennen will – hat zu gut funktioniert? Das muss ja wirklich alle masslos verwirrt haben.»
    «Es scheint, dass dieser Umstand tatsächlich einiges durcheinandergebracht hat», sagte Lady Georgiana, seinen Sarkasmus nicht beachtend. «Mehr Leute als geplant mussten eingesetzt werden. Es hat sich als unerwartet schwierig erwiesen, jemanden in dieses Hotel einzuschleusen. Es sollten sich ein paar Männer als Portiers bewerben, aber sie wurden nicht eingestellt, angeblich waren ihre Referenzen nicht gut genug. Also wurde ein Agent als Gast geschickt, doch der hat sich beim Skifahren das Bein gebrochen. Und damit waren bereits die Gesichter aller im Moment freien Agenten im Hotel bekannt.»
    Nun verstand Anna, warum sich Mister McGarrett seinen Unfall so furchtbar zu Herzen genommen hatte.
    Der Lieutenant seufzte. «Grundgütiger, und nun hat man dich geschickt? Ich will dir nicht zu nahe treten, Georgiana. Aber soviel ich weiss, hast du bisher nur harmlose, kleine Aufträge ausgeführt. Du bist für diese Sache hier nicht gerüstet. Sie hätten dich niemals damit beauftragen dürfen.»
    «Ach, glaubst du etwa, ich hätte ihnen eine Wahl gelassen? Ich habe sie gewarnt, dass ich dir beim geringsten Anzeichen von Schwierigkeiten hinterherreisen würde. Cecil hat natürlich versucht, mir zu verheimlichen, dass es hier nicht wie geplant läuft. Aber du kennst mich ja. Allerdings soll ich nur die Lage sondieren und Bericht erstatten.»
    «Du allein? Ohne Verstärkung?»
    «Nun, die ist unterwegs. Ich bin sozusagen die Vorhut. Du solltest etwas dankbarer sein, dass ich hier bin.»
    Das Klirren von Porzellan war zu hören. Der Lieutenant hatte wohl seine Tasse mit Nachdruck abgesetzt.
    «Georgiana, ich weiss, dass du denkst, dies alles wäre ein fabelhafter Zeitvertreib. Und dass dein Titel und deine Verbindungen dich schon aus allen Kalamitäten herausholen werden. Aber es gibt Situationen, in denen dir das alles nicht helfen wird. Es mag hier nicht um Angriffspläne, geheime Verträge oder kompromittierende Dokumente gehen, doch wenn es Professor Hatvany wirklich gelungen ist, sämtliche Prinzipien Kerckhoffs’ zu erfüllen, dann wäre das System genauso wertvoll wie eine neue Waffe. Das hier ist kein Dinner, bei dem du dem langweiligen Gefasel eines Militärattachés lauschst, um danach fein säuberlich sämtliche Indiskretionen, die er dabei begangen haben mag, in einem Bericht

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