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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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Antworten in diesem Spiel die Währung des Vertrauens waren. Zwar stand sie wie eine gute Bedienstete vor ihm, die Hände brav gefaltet – doch statt Anweisungen entgegenzunehmen, gedachte sie jetzt zuerst einmal ein paar Fragen zu stellen. «Wofür steht NID ?»
    « Naval Intelligence Division , der Nachrichtendienst der Admiralität», kam die Antwort ohne Zögern oder Anzeichen von Verärgerung.
    «Und Lady Georgiana arbeitet für eine andere Behörde?»
    «Eine Lady arbeitet natürlich nicht. Zudem habe ich meine Cousine nie direkt gefragt, wer sich ihrer Dienste versichert hat. Wenn Sie mich allerdings fragen, wer das sein könnte, würde ich sagen, eine Abteilung des SSB .»
    «Und wer ist das?»
    «Das Secret Service Bureau , eine neu geschaffene Behörde, die Informationen über andere Mächte und ihre Bewaffnung, vor allem ihre Flotten, sammelt. Und gleichzeitig versucht, andere Mächte daran zu hindern, das Gleiche bei der Royal Navy zu tun.»
    Eine Erklärung, die mehr Fragen aufwarf, als sie beantwortete. «Aber wäre das denn nicht die Aufgabe dieses NID ?»
    Er lachte leise. «Eine logische Annahme, aber in diesem Geschäft ist nichts logisch. Neben dem NID und dem SSB gibt es noch das DMI , das Directorate of Military Intelligence , das dem Kriegsministerium untersteht und auch wieder in Unterabteilungen aufgeteilt ist. Und bevor Sie fragen, ja, es gibt ständig Kompetenzüberschneidungen. Die Linke weiss bei Weitem nicht immer, was die Rechte tut.»
    Sie versuchte, all das richtig einzuordnen. Die wenigen lesefreudigen Pagen ergötzten sich zuweilen, sehr zum Entsetzen von Herrn Ganz, an Abenteuerromanen, in denen Detektive Agenten feindlicher Mächte jagten und dabei allerlei haarsträubende Bedrängnisse und Eskapaden erlebten. Anna hatte ein oder zwei der konfiszierten Exemplare gelesen, aber nie gross darüber nachgedacht, wie viel diese Werke wohl mit der Realität zu tun haben mochten. Die Wirklichkeit war wahrscheinlich anders. Da wurde einem am Schluss nicht von einem dankbaren Monarchen ein Orden verliehen, sondern man landete im Hospital und kriegte zu viel Morphium verabreicht. Und wurde, selbst wenn man den Dienst quittiert hatte, noch weiter benutzt. Sie fragte sich, ob sie je seine Geschichte zu hören bekommen würde. Jetzt war wohl nicht der Zeitpunkt, danach zu fragen.
    «Vielen Dank, dass Sie meine Fragen so ehrlich beantworten», meinte sie schlicht.
    «Nun ja, das waren mehr Antworten, als ich Ihnen hätte geben dürfen. Aber ich habe meinen Abschied genommen und mag es nicht besonders, immer noch wie eine Schachfigur behandelt zu werden. Aber ich möchte Sie bitten, nichts von dem, was Sie eben gehört haben, weiterzuerzählen. Und wenn Sie mit dieser Sache lieber nichts zu tun haben, so kann ich das gut verstehen.»
    «Keine Sorge – man würde mir eh nicht glauben. Ich stehe ja bereits im Ruf, Hirngespinsten nachzuhängen.»
    «Es könnte durchaus Leute geben, die Ihren Worten Glauben schenken. Und das sind gefährliche Leute.»
    «Leute wie Sie?»
    «Touché», meinte der Lieutenant leise und offensichtlich beeindruckt von ihrer Fähigkeit, schnelle Schlüsse zu ziehen. «Als ich anfing, da war ich wie Lady Georgiana. Ich hielt es für ein aufregendes Spiel voller Abenteuer. Es ist ein Spiel, aber die wahren Spieler sitzen weit weg von der Gefahr, von den Lügen und dem Betrug in ihren Bureaus, wo sie auf Berichte warten und unmögliche Pläne entwickeln, die andere ausführen müssen. Es ist ein Spiel, in dem Menschenleben für ein Stück Papier geopfert werden. Wo auf einmal das Allgemeinwohl Dinge rechtfertigt, die im Alltag nicht zu rechtfertigen wären. Die Bauern in diesem Spiel können nur hoffen, dass die Spieler wissen, was sie tun.»
    «Und Sie sind ein Bauer, der diese Hoffnung verloren hat?» Das war eine unerwartet kühne Frage, doch er verlangte auch ziemlich viel von ihr.
    «In der Tat. Sie haben ja eben gesehen, was passiert, wenn man sich auf das Spiel einlässt. Ich habe Lady Georgianas Vertrauen missbraucht, selbst wenn ich behaupten darf, dafür gute Gründe gehabt zu haben.» Er strich sich mit der Hand übers Gesicht. «Werden Sie uns helfen? Nicht für Ruhm und Ehre des Empire oder für Seine Majestät, beides dürfte Ihnen herzlich egal sein. Sie haben gehört, was ich zu Lady Georgiana gesagt habe. Ich will versuchen, diese Angelegenheit zu Ende zu bringen, ohne dass noch mehr Menschen zu Schaden kommen. Aber ohne die Hilfe von jemandem, der dieses

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