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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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abzuliefern.»
    «So viel habe ich schon begriffen, keine Angst. Sag mir lieber, was du jetzt tun willst.»
    «Am liebsten würde ich dieser Sache den Rücken kehren, abreisen und dich mitnehmen. Ich schätze es gar nicht, dass man mich hier wie einen ausgestopften Lockvogel platziert hat. Aber das geht natürlich nicht. Wer weiss, auf was für verrückte Ideen deine Dienstherren und ihre kontinentalen Pendants sonst noch kommen. Meiner Erfahrung nach geraten in diesen Spielchen früher oder später immer Unschuldige zwischen die Fronten. Der Professor und seine Frau sind bereits tot, und wie auch immer die offizielle Version lautet, ich bin mir sicher, sie sind wegen dieser Geschichte gestorben. Tut mir leid, aber ich mag nicht auf deine nebulöse Verstärkung warten. Ich möchte gerne wissen, wer alles den Köder geschluckt hat. Und dann sollten wir der Frage nachgehen, was mit diesem geheimnisvollen Manuskript passiert ist.»
    «Also gut, lass uns einen Schlachtplan entwerfen. Soll ich das Gästebuch aus der Réception stibitzen?»
    «Nein», meinte er bestimmt. «Du nimmst jetzt dein Zimmer in Augenschein, sonst wird Herr Bircher schon bald wieder hier auftauchen. Und am Abend dinieren wir gemeinsam. Währenddessen werde ich versuchen, Hilfe zu erhalten.»
    «Woher bitte soll die kommen? Ich dachte, wir würden noch etwas plaudern. Wir haben uns lange nicht gesehen, und ich möchte wissen, wie es dir hier so ergangen ist. Hast du schon viele Gedichte übersetzt? Ich habe Vater und Frederick versprochen, ihnen genau Bericht zu erstatten.»
    Anna konnte hören, wie er aus seinem Sessel aufstand. «Ein anderes Mal, Georgiana. Es tut mir leid, aber ich möchte mich vor dem Essen noch etwas hinlegen.»
    «Natürlich. Verzeih, mein Lieber.» Lady Georgiana griff nach ihrer Kappe und den Handschuhen. «Am besten sehe ich mich schon mal etwas im Damensalon und der Bar um.»
    Der Lieutenant war immer noch nicht in Annas Blickfeld, doch sie konnte sich sein Gesicht bei dieser Ankündigung gut vorstellen.
    Lady Georgiana warf den Kopf in den Nacken. «Du liebe Zeit, Christian. Das tun doch alle nach der Ankunft in einem Hotel. Es nicht zu tun, wäre bei Weitem auffälliger.»
    Er schien ihr recht zu geben, denn er geleitete sie wortlos zur Tür. «Ist Paget bei dir?», fragte er noch.
    «Natürlich. Was für eine Frage!»
    Doch falls Lady Georgiana gehofft hatte, er würde sich erklären, sah sie sich getäuscht. Er küsste sie stattdessen auf die Wange. «Ich freue mich trotz allem sehr, dass du hier bist, Georgiana. Herzlich willkommen und frohe Weihnachten.»
    Sie ging, und er schloss mit einem Seufzer die Tür. Anna legte die Hand auf die Türfalle und zögerte. Als sie weder Schritte in Richtung Schlafzimmer noch seine Stimme hörte, öffnete sie die Tür und trat ins Lesezimmer. Er stand neben seinem Pult.
    «Wie viel von all dem haben Sie verstanden?», fragte er und setzte sich wieder in seinen Sessel.
    «Mehr als Ihnen lieb sein dürfte.»
    «Das bezweifle ich. Ich sagte Ihnen ja, dass nun Antworten kommen würden, und ich wollte, dass Sie sie hören. Mir ist sehr daran gelegen, dass Sie verstehen, worauf Sie sich einlassen.»
    «Warum soll ich all das überhaupt wissen? Es geht hier doch wohl um Dinge, die geheim bleiben sollten.» Anna war verärgert, sie schätzte es genauso wenig wie er, manipuliert zu werden. Der Gedanke, dass er seine Cousine so dirigiert hatte, dass eine Fremde im Schlafzimmer Dinge hören konnte, die sie ihr bestimmt nicht freiwillig erzählt hätte, gefiel Anna gar nicht. Es mochte ein Vertrauensbeweis ihr gegenüber sein, aber es war auch ein Vertrauensbruch gegenüber seiner Cousine.
    Er betrachtete sie ernst, war aber durch ihre Worte nicht aus der Fassung gebracht. «Sie glauben, ich hätte mich Lady Georgiana gegenüber nicht korrekt verhalten? Das ist richtig, und doch war es notwendig. Wie ich Lady Georgiana eben gerade erläutert habe, brauchen wir Hilfe, und zwar Ihre Hilfe. Und ich kann Sie nicht um Hilfe bitten und Sie dabei im Dunkeln lassen, um was es geht.»
    Anna gefiel nicht, mit welcher Schnelligkeit er eine Situation erfassen und nach seinem Willen beeinflussen konnte. Aber nach dem, was den Hatvanys widerfahren war, schien ihr sein Wunsch, die Geschichte ohne weitere Opfer zu einem baldigen Ende zu bringen, nur zu verständlich. Das bedeutete aber nicht, dass sie nicht zuerst auch ein paar Antworten haben wollte. Sie hatte eben genug gehört, um zu begreifen, dass

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