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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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erzählen hatten, ist sehr aufschlussreich.»
    Anna wusste nicht genau, was an ihrer Darstellung der Ereignisse aufschlussreich sein sollte. Sie klappte das Notizbuch zu und wagte es, ihm wieder ins Gesicht zu sehen. «Ich verstehe nicht, was hier geschieht. Es scheint, als ob in diesen Räumen immer wieder nach etwas gesucht wird. Nur weiss ich nicht, nach was, und vor allem verstehe ich nicht, warum ausgerechnet jetzt wieder ein Einbruch passiert ist. Während der Schliessung wäre doch so viel Zeit gewesen, nochmals ungestört zu suchen.»
    Er neigte den Kopf etwas zur Seite und betrachtete sie nachdenklich. «Sie haben einen erstaunlich klaren Verstand, Miss Staufer. Die Antwort auf Ihre letzte Frage ist ganz einfach. Wenn Sie nur etwas nachdenken, kommen Sie von selbst darauf. Was hat sich mit Beginn der Wintersaison hier verändert?»
    «Nun, die Schäden sind repariert worden, ein paar Möbel und Einrichtungsgegenstände sind neu. Und da sind noch Ihre Bücherschränke.»
    «Und was hat sich noch verändert?»
    Sie hatte das Gefühl, sie würde einer Prüfung unterzogen; doch sosehr sie auch nachdachte, sie kam der Lösung des Rätsels nicht näher. Oder vielleicht doch: Es gab noch eine wesentliche Veränderung. Zum zweiten Mal an diesem Tag vertraute sie auf das Offensichtliche. «Sie sind hier.»
    Nun sah sie ihn endlich einmal lächeln.
    «Genau, ich bin eingezogen.»
    «Aber Sie haben mit der ganzen Sache doch nichts zu tun.»
    Das Lächeln verschwand. «Da bin ich mir leider nicht so sicher.»
    In diesem Moment klopfte es; es war Norbert, mit einem silbernen Tablett, auf dem ein kleines Billet lag. Anna liess ihn eintreten und das Billet überbringen, damit er nicht um sein Trinkgeld kam.
    «Eine Dame ist eben eingetroffen und lässt fragen, ob Sie sie empfangen.»
    Lieutenant Wyndham betrachtete das Billet eingehend, schliesslich gab er dem Pagen, der geduldig gewartet hatte, eine Münze. «Richte Lady Georgiana aus, dass ich sie gerne empfange. Aber beeil dich nicht zu sehr mit der Antwort.»
    Der Junge grinste. «Wird erledigt, Sir.»
    Der Lieutenant wandte sich, das Billet immer noch in der Hand, an Anna. «Ich müsste mich sehr täuschen, wenn hier nicht eine Menge Antworten kommen.»
    In dem Moment steckte Norbert nochmals seinen Kopf zur Tür herein. «Tut mir leid, aber sie ist schon auf dem Weg, Sir», wisperte er, und mit einem verschwörerischen Blick auf Anna fügte er hinzu: «Und der Patron begleitet sie.»
    Anna griff nach dem Massband, ihr stand wohl eine weitere unangenehme Unterhaltung im Direktions-Bureau bevor. Der Lieutenant hingegen zeigte stumm auf die Tür zum angrenzenden Raum. Bevor sie gross darüber nachsinnen konnte, fand Anna sich in seinem Schlafzimmer wieder. Sie stellte sich hinter die nur angelehnte Tür und war sich sicher, dass man ihr Herz noch im Gang draussen schlagen hören konnte. Sie versuchte, leise zu atmen und nicht daran zu denken, wie unglaublich kompromittierend ihre Situation eben geworden war.
    Direktor Bircher war inzwischen mit der Besucherin eingetroffen, die er mit «Mylady» anredete und die anscheinend eine Cousine des Lieutenants war. Der Patron wiederholte mehrmals, was für eine Ehre Myladys Besuch für das Splendid darstellte. Anna erinnerte sich daran, wie Direktor Bircher die adlige Verwandtschaft des Lieutenants damals als Argument für seine Aufnahme ins Feld geführt hatte. Adlige Gäste waren im Splendid allerdings nichts Ungewöhnliches. Für die besondere Aufmerksamkeit, die der Patron der Lady schenkte, musste es noch andere Gründe geben.
    Vorsichtig spähte Anna durch die Spalte zwischen Tür und Türrahmen; der schmale Streifen gab ihr den Blick auf das Sofa und den Eingang des Lesezimmers frei.
    Der Lieutenant war aufgestanden, um seine Cousine an der Tür zu begrüssen: eine grosse, schlanke Frau in einem exquisit geschnittenen grauen Woll-Kostüm mit schwarzen Samtbesätzen und einer passenden schwarzen Samtkappe, auf der als einziger Schmuck eine kleine Agraffe mit einer Feder platziert war. Der Schnitt des Kostüms war streng und gemahnte an Herrenmode, aber es dürfte nicht weniger gekostet haben als eine der Schöpfungen aus Samt und Seide, welche die Mesdemoiselles Gérard so gerne vorführten. Doch es war nicht die erlesene Schneiderkunst, die Herrn Bircher so schwadronieren liess. Die Lady konnte einen Mann in ihren Bann ziehen, ohne sich gross anzustrengen. Sie brauchte dazu weder die Schminktöpfe, in die Gräfin

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