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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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Zimmermädchen zu tun. Lady Georgiana hielt die Briefe hoch in die Luft.
    «Zuerst sagen Sie uns, was sie mit Jost gemacht haben.» Anna begriff sofort, dass es an ihr lag, das Verhör zu übernehmen. Die Gräfin hatte Lady Georgiana nicht erkannt, und es sollte besser so bleiben.
    Die Gräfin starrte sie verblüfft an. «Jost? Wer ist das? Und was soll ich mit ihm zu schaffen haben?»
    «Wir wissen, dass Sie vorgestern Abend mit ihm zusammen waren. Versuchen Sie erst gar nicht, das zu leugnen.» Vielleicht war es nicht klug, ihre Karten so offenzulegen, aber Anna hatte den Eindruck, dass die Gräfin im Moment nur ihre Briefe zurückwollte, und das liess sich ausnutzen.
    «Oh, der hübsche Valet? Warum sollte ich leugnen, mit ihm zusammen gewesen zu sein? Geht es darum? Fürchten Sie vielleicht um seine Tugend? Wie lächerlich!» Sie reckte sich nach den Briefen, doch Lady Georgiana war einen Kopf grösser.
    Die Tatsache, dass die Gräfin nicht schon lange Hilfe herbeigerufen hatte, überzeugte Anna, dass sie und Lady Georgiana die Oberhand hatten.
    «Er wurde gestern tot aufgefunden», sagte sie ruhig.
    Die Gräfin wurde bleich, sie machte einen Schritt zurück. «Tot? Aber wieso denn tot? Ich habe von einem Todesfall beim Personal gehört, aber doch nicht dieser Junge!» Sie liess sich in einen Stuhl fallen, sie sah auf einmal fahl und wesentlich älter aus.
    «Bitte, damit habe ich nichts zu tun. Als ich ihn zuletzt gesehen habe, ging es ihm gut. Er sah nicht krank aus. Was ist geschehen? Ist ihm ein Unglück zugestossen? Ist er gestürzt?»
    Anna fand es besser, sie über die genauen Umstände im Unklaren zu lassen. «Er ist tot, und wir wissen nicht genau, was passiert ist. Deshalb wollen wir von Ihnen wissen, wann Sie ihn zum letzten Mal gesehen haben.»
    Die Gräfin war so aus der Fassung, dass sie ein Verhör durch die Gouvernante und eine Wäschemagd nicht seltsam fand. Sie blickte auf ihre Hände, die sie in einer unerwartet sittsamen Geste im Schoss gefaltet hatte. «Wir haben uns in der Remise getroffen. Es ist nichts Schlimmes geschehen. Wir haben uns in einen der Schlitten gesetzt. Zu mehr als ein paar Küssen ist es nicht gekommen. Er war zu unschuldig.»
    Und dann fügte sie mit entwaffnender Offenheit hinzu: «Ich wollte eigentlich nur herausfinden, ob bei seinem Herrn etwas zu holen ist. Ich hatte gehört, dass es einen Einbruch gegeben hatte, und war einfach neugierig. Aber aus dem Jungen war nichts herauszubekommen. Also beschloss ich, es gut sein zu lassen. Dann hat er mich zurück zum Hotel begleitet. Beim Eingang habe ich bemerkt, dass ich meinen Schal vergessen hatte. Er wollte ihn mir holen. Ich habe eine Weile draussen auf ihn gewartet, aber er kam nicht zurück, und es war kalt. Ich dachte, er hätte vielleicht jemanden getroffen und würde mir den Schal später bei einer günstigen Gelegenheit bringen. Also bin ich ins Hotel und gleich auf mein Zimmer gegangen. In der Bar wurde zwar laut gefeiert, doch wenn ich dort um diese Zeit aufgetaucht wäre, hätte das allerlei Gerede gegeben. Und ich weiss, dass über mein Tun und Lassen bereits mehr als genug getuschelt wird.»
    «Wie spät war es, als Sie ins Hotel zurückkamen?»
    «Ich habe nicht auf die Uhr geblickt, aber wohl kurz vor Mitternacht.»
    Für Anna klang die Geschichte glaubhaft; was immer Jost zugestossen war, musste sich später ereignet haben. Sie blickte zu Lady Georgiana, die ihr zur Antwort die Briefe reichte.
    Anna nahm das Bündel und übergab es der Gräfin. «Hier sind die Briefe Ihrer Tochter. Ich glaube allerdings, es ist besser, Sie bereiten Ihre Abreise vor, sobald die Bahnlinie wieder offen ist.»
    Damit wollte sie das Zimmer verlassen, doch die Gräfin berührte leicht ihren Arm. «Bitte, Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was dem Jungen zugestossen ist.»
    Anna konnte es nicht über sich bringen, die Lüge zu wiederholen. «Ich sagte bereits, wir wissen nicht genau, was geschehen ist. Lassen Sie es gut sein, gnädige Frau.»
    «Es tut mir leid», sagte die Gräfin und hielt die Briefe fest umklammert. «Er war ein guter Junge, was immer auch passiert ist, er hat es nicht verdient.»
    Auf dem Gang sagte Lady Georgiana: «Wir müssen Christian Bericht erstatten.»
    «Mylady sollten sich zuerst umkleiden», erwiderte Anna. «Das Sportkostüm wäre angebracht.»
    Lady Georgiana nickte nur. Sie hatte auch begriffen, was der nächste Schritt sein würde. Als sie im Zimmer zurück waren, gab sie Paget entsprechende

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