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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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er seiner Cousine gegenüber diese Dinge auch je erwähnt hatte?
    «Nun, wie auch immer, wir müssen versuchen, diese Geschichte so schnell wie möglich zu Ende zu bringen.» Lady Georgiana wartete geduldig, während Paget die Knöpfe ihres schlichten Tageskleides schloss. «Sie tut Christian ganz und gar nicht gut. Und dann kann er sich endlich in seinem Häuschen in Zürich niederlassen, Gedichte übersetzen und der Welt den Rücken kehren, wie Leute das so tun, wenn sie sich in die Schweiz flüchten.» Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, als sie sich schon auf die Lippen biss. Hastig setzte sie sich an den Frisiertisch.
    Paget trat zu ihrer Herrin und griff nach einer Haarbürste; sie verzog keine Miene, aber Anna konnte den unausgesprochenen Tadel deutlich spüren. Lady Georgiana meinte leise: «Verzeihung, natürlich hat Christian etwas Ruhe mehr als verdient. Ich bin einfach unleidlicher Laune. Aber ich verspreche, ich werde mich heute Mittag tadellos aufführen. Wann soll ich zum Zimmer der Gräfin kommen?»
    «Sie sollten am besten hier auf mich warten. Ich habe mir etwas überlegt, um die Sache leichter zu bewerkstelligen.»
    «Wie geheimnisvoll – also gut, ich begebe mich ganz in Ihre Hände.» Bei diesen Worten lächelte Lady Georgiana, doch sie wurde sogleich wieder ernst. «Weiss man schon, wann die Beerdigung sein wird?»
    «In ein oder zwei Tagen, das ist noch nicht ganz sicher. Die Bahnlinie ist wegen des vielen Schnees unterbrochen, und die Strasse zu Ammanns Heimatdorf ist ebenfalls nicht passierbar. Im Übrigen muss der kantonale Untersuchungsrichter noch das Protokoll und den Totenschein prüfen, und der Richter kommt jetzt auch nicht nach Sternenbach.»
    «Lassen Sie mich wissen, wann es sein wird. Ich werde an Christians Stelle teilnehmen. Werden Sie auch dort sein?»
    «Das wird von den Weisungen des Direktors abhängen. Es ist mitten in der Hochsaison, es werden nicht alle zur Beerdigung gehen können, die das möchten.»
    Lady Georgiana hiess Paget mit einer Handbewegung innezuhalten. Sie drehte sich zu Anna um. «Dann bitte ich ausdrücklich um Ihre Begleitung, Miss Staufer.»
    «Sehr wohl, Mylady.»
    Auf ihrer Runde durch das Haus warf Anna einen kurzen Blick in die verlassene Bar. Wahrscheinlich war Henning noch am Schlafen; die Gäste kümmerten sich nicht um einen Todesfall unter dem Personal und erwarteten, dass alles seinen gewohnten Gang nahm, Barbetrieb bis in die frühen Morgenstunden eingeschlossen.
    Nun war Annas Gang zur Kleinen Suite keine Farce mehr. Jost war nicht mehr da, um die Arbeit der Zimmermädchen zu kontrollieren. Bevor sie sich auf den Weg machte, schickte sie einen der Pagen zu Herrn Brehm.
    Der Lieutenant und Lady Georgiana waren dabei, nochmals die Geschehnisse der vorletzten Nacht durchzugehen. Er stand neben seinem Schreibpult und sah fahl und übernächtigt aus, seine Hände waren wieder in den alten Rhythmus verfallen; als er Annas Blick bemerkte, verschränkte er sie im Rücken. Anna stellte die Vase voller Chrysanthemen, die sie mitgebracht hatte, auf den Salontisch und folgte dann seiner stummen Aufforderung, sich zu setzen.
    Lady Georgiana sass auf dem Sofa, sie war darauf konzentriert, ihre Erinnerungen an die Geburtstagsfeier wieder aufleben zu lassen. «Tut mir leid, aber das war ein solches Kommen und Gehen, dass ich nicht sagen kann, wer gegen Mitternacht da war und wer nicht. Ich weiss, dass Mister Derringer mir gegenübersass. Er und Konsul Deveraux haben irgendwelche alten Kriegsgeschichten ausgetauscht, zumindest nehme ich das an, weil sie sich ständig mit ‹Colonel› und ‹Sergeant› angeredet haben. Die van Ryssels haben auch lange mitgefeiert, obwohl ich glaube, Monsieur wäre gerne früher zu Bett gegangen. Es wurde gesungen und gelärmt, wir waren wohl zwischendurch recht laut, denn auf einmal erschien diese unerträgliche Frau Kommerzialrat. Angeblich war die Feier im ganzen Haus zu hören, und sie hatte deshalb nicht mit ihrem geliebten Gustav sprechen können. Dann hatte sie auch noch die Frechheit, mich und die beiden Mesdemoiselles Gérard unserer losen Sitten wegen zu schelten! Die Herren Offiziere haben sich köstlich amüsiert. Was die beiden Mädchen anbelangt, hatte sie allerdings nicht ganz unrecht – ich möchte wissen, was der Mutter einfällt. Legt sich mit Migräne ins Bett und kümmert sich nicht darum, was ihre Töchter so treiben! Ich habe gewartet, bis der Drache verschwunden war, und ihnen dann ins Gewissen

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