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Chiffren im Schnee

Chiffren im Schnee

Titel: Chiffren im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Berlinger
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geredet. Das hat allerdings nicht viel gefruchtet. Ich musste sie schliesslich wie eine brave Chaperone aus der Bar scheuchen.»
    «Bist du mit ihnen nach oben gegangen?»
    «Ja, ich habe sie bis zu ihrer Zimmertür begleitet. Die beiden sind nicht halb so unschuldig, wie sie alle Welt glauben machen wollen. Ich war recht ungehalten und kurz angebunden, deshalb dauerte das nicht lange.»
    Er rieb sich müde die Stirn. «Tja, wie es scheint, bleibt die Gräfin Tarnowska im Moment also unsere einzige Spur.»
    «Ich verstehe einfach nicht, warum jemand Ammann umbringen sollte. Er wusste doch rein gar nichts. Oder denkst du, man hat versucht, ihn zu befragen, und dann getötet?»
    «Nein», sagte der Lieutenant zögernd, «sein Körper trug nicht die Male einer eingehenden Befragung – nur ein paar oberflächliche Abschürfungen.» Er blickte zum Fenster hinaus. «Wäre er gefoltert worden, hätte man deutlichere Spuren gefunden.»
    Anna starrte auf die Chrysanthemen und versuchte, sich nicht vorzustellen, woher er über solche Dinge so gut Bescheid wusste.
    Er drehte sich wieder um und setzte sich. «Nein, ich denke eher, man hat ihn getötet, weil er irgendetwas beobachtete, was er nicht hätte sehen sollen. Die Tat trägt alle Spuren einer schnellen und improvisierten Aktion. Wir müssen wissen, wo er sich vorgestern Abend aufgehalten hat. Ich hoffe sehr, im Zimmer der Gräfin findet sich irgendein Hinweis. Am besten beginnt ihr die Suche –»
    Lady Georgiana liess ihn nicht ausreden. «Mein Lieber, du magst die Unterschiede zwischen Kampf- und Folterspuren kennen, aber ich denke doch, dass Miss Staufer und ich besser wissen, wo die Geheimnisse im Zimmer einer Dame zu finden sind. Zumindest hoffe ich das sehr.»
    Er schenkte ihr ein schwaches Lächeln. «Natürlich, es ist nur nicht gerade einfach, so zur Untätigkeit verurteilt zu sein und nichts selbst erledigen zu können.»
    «Betrachte dich einfach als General, der seine Truppen über das Schlachtfeld beordert. Generäle müssen doch auch hinter der Linie bleiben, nicht wahr?»
    Anna sah, dass die Worte ihre Wirkung verfehlten. Generäle hatten wohl allzu viel mit Schachspielern gemein. Lady Georgiana fuhr aufgeräumt fort: «Sollten wir wider Erwarten nicht fündig werden, so werde ich die Dame einem diskreten Verhör unterziehen – am besten in der Bar. Wir können uns gegenseitig trösten, dass man uns im Damensalon nicht unbedingt zu schätzen weiss.»
    Der Lieutenant schien von dieser Idee nicht sonderlich begeistert. Anna konnte es ihm nicht verdenken, sie war sich ziemlich sicher, dass die Gräfin in der Bar schneller an Lady Georgianas Geheimnisse herankommen würde als umgekehrt. Sie erhob sich und meinte hastig: «Wenn die Gräfin etwas zu verbergen hat, dann werden wir es finden. Ihr Zimmer zu durchsuchen, wird nicht ganz einfach. Sie gehört zu jenen Gästen, die die Arbeit des gewissenhaftesten Zimmermädchens innert wenigen Minuten zunichtemachen.»
    «Sehr gut. Dann können wir richtig herumwühlen.» Lady Georgiana schien sich geradezu zu freuen.
    Anna verabschiedete sich und kehrte an ihre Arbeit zurück. Sie war allerdings nicht wirklich bei der Sache. Was der Lieutenant über Josts Verletzungen gesagt hatte, liess sie nicht los. Was für ein Leben musste er geführt haben, um über diese Dinge so gut Bescheid zu wissen?
    Eine Viertelstunde bevor der Gong zur Mittagstafel erklang, ging Anna nach oben und holte ein Bündel aus ihrer Kammer. Etwas später starrte Lady Georgiana verblüfft auf die Kleidungsstücke in Annas Hand. «Das soll ich anziehen? Damit sehe ich aber nicht aus wie eines der Zimmermädchen.»
    Anna reichte die graue Bluse mit dem vom vielen Waschen etwas formlos gewordenen weissen Kragen, den dunklen Rock und die schlichte Schürze an Paget weiter. «Sie sollen auch nicht wie ein Zimmermädchen aussehen, Mylady. Die Zimmermädchen kennen sich ja – ein fremdes Mädchen würde sofort auffallen. Aber die Frauen, die in der Lingerie arbeiten, kommen aus dem Dorf und arbeiten nicht hier im Haus. Sie wechseln sich oft ab, die meisten von ihnen kennen die Mädchen kaum. Mit diesen Sachen sehen Sie aus wie eine von ihnen – genauer gesagt, wie eine, die absolut nicht zu meiner Zufriedenheit gearbeitet hat und der ich ihre schlampige Arbeit jetzt im Zimmer der Gräfin vorführen werde.»
    Paget hatte die Kleidungsstücke auf dem Bett ausgebreitet und betrachtete nun ihre Herrin mit nachdenklich geneigtem Kopf. «Mylady wird

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