Chili und Schokolade
Rückspiegel sehen sollen.»
Ulla versucht aufzutreten. «Ach Quatsch, es war meine Schuld. Erstens hab ich total falsche Schuhe an, und zweitens wollte ich gerade mein Handy aus der Tasche holen, weil es gepiept hat. Du könntest mich wahrscheinlich verklagen: Telefonieren ist auf dem Rad verboten.» Sie grinst unsicher.
«Keine Sorge», versuche ich sie zu beruhigen. «Sag mir lieber, ob du verletzt bist?»
«Nein, es ist nicht schlimm, und das Rad sieht auch noch ganz passabel aus.»
Ich helfe Ulla, das Fahrrad aufzustellen. Es sieht tatsächlich unversehrt aus.
Sie klopft sich den Staub von der Hose und versucht aufzusteigen, stöhnt aber sofort schmerzvoll auf. «Ober-, Ober-, Obermist! Es tut saumäßig weh.»
Erschrocken nehme ich ihren Arm, um sie zu stützen. «Wir sollten zu einem Arzt oder in ein Krankenhaus fahren», schlage ich vor.
Ulla wehrt tapfer ab. «Ach nee, das wäre total übertrieben, ist sicher bloß verstaucht. Wenn der Knöchel gebrochen wäre, könnte ich wahrscheinlich überhaupt nicht mehr auftreten. Ich muss mich nur einen Moment setzen und ausruhen, dann geht’s gleich wieder.»
Da es mittlerweile angefangen hat zu regnen, helfe ich ihr in mein Auto. Tiefhängende Wolken verdunkeln jetzt den Himmel. Und es sieht nicht so aus, als würde es bald wieder aufhören.
«Hast du einen Hausarzt?», erkundige ich mich und merke, dass ich sie die ganze Zeit auch einfach geduzt habe.
«Nee, wozu?»
«Dann fahre ich dich ins Krankenhaus», bestimme ich mütterlich.
«Nein, wirklich nicht nötig. Ich brauche höchstens etwas aus der Apotheke. Bei mir zu Hause findest du nicht mal eine Kopfschmerzpille.»
Mir fallen meine Jungs ein, für die auch immer alles eine Bagatelle ist und die Verletzungen mit einfachen Schmerztabletten therapieren wollen. «Ich habe zwei erwachsene Söhne, Zwillinge, die glauben auch an die Allheilkraft von Aspirin», erwidere ich schmunzelnd. «Aber ich würde mich einfach wohler fühlen, wenn sich das ein Arzt anschauen würde. Schließlich war es mein Auto, gegen das du geknallt bist. Tut es noch sehr weh?»
«Nicht, wenn ich sitze», meint sie fröhlich, zieht das Bein hoch und platziert den Fuß vorsichtig auf dem Armaturenbrett. «Nur blöd, dass der Knöchel inzwischen ganz schön angeschwollen ist.»
Erschrocken starre ich auf die deutlich erkennbare Schwellung.
«Wo wohnst du denn?», erkundige ich mich.
«Schwabing, Schleißheimerstraße.»
«Gut, dann fahren wir ins Schwabinger Krankenhaus. Widerspruch zwecklos», entscheide ich.
Ulla seufzt ergeben. «Okay. Aber nur, weil’s immer noch saumäßig weh tut. Und mein Fahrrad? Das ist ganz neu, hab ich erst letzte Woche geschenkt bekommen – von meinem Süßen.» Glücklich lächelnd blickt sie nach draußen auf das Geschenk.
«Ich schließe es dort an den Laternenpfahl», biete ich an. «Jetzt sollten wir uns nämlich erst mal um deinen Fuß kümmern und danach um das Rad. Falls es wirklich nur eine Verstauchung ist und du wieder laufen kannst, fahre ich dich gerne hierher zurück.»
Die Verstauchung stellt sich in der Klinik leider als Sehnenzerrung heraus. Ulla bekommt einen Spezialverband plus Schiene und Krücken verpasst und vom Arzt die Empfehlung, den Fuß erst wieder zu belasten, wenn die Schwellung zurückgegangen ist.
«So ein Scherzkeks!», grummelt Ulla, als sie neben mir auf Krücken zum Auto humpelt. «Der glaubt wohl, ich bin die Queen und meine Lakaien tragen mich durchs Schloss.» Doch eigentlich hat die eben durchgemachte schmerzhafte Untersuchung ihrem heiteren Gemüt nichts anhaben können. Auch die Krücken bereiten ihr keinerlei Probleme. Gewandt weicht sie den Regenpfützen aus und bewegt sich erstaunlich flink vorwärts.
Als wir an meinem Smart angelangt sind, hält sie überrascht ihre glitzernde Tasche an die silbergraue Lackierung. «Kuck mal, passt perfekt dazu. Ist mir vorhin gar nicht aufgefallen. Wenn ich mir jemals einen Wagen anschaffe, dann genau so einen. Es ist das absolut niedlichste Auto der Welt. Wir haben wohl den gleichen Geschmack.»
«Sieht ganz danach aus», erwidere ich amüsiert. Das Prädikat «Frohnatur» muss für diese Frau erfunden worden sein, denke ich und lasse mich von ihrer guten Laune anstecken. «Wenn du Lakaienmangel hast, würde ich gerne einspringen. Ich könnte für dich einkaufen, kochen oder dir sonst wie helfen, solange du nicht rumlaufen kannst.» Zu sagen:
Ich habe jede Menge Zeit, auf mich wartet niemand,
kann ich mir
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