Chili und Schokolade
die in verschiedenen Pastellfarben lackiert wurden. Die Wände zieren verschieden große Spiegel, in den Sitzgelegenheiten liegen weiße Kissen, und vor einer silbernen Wand steht ein Bett, das mit einem bunt gestreiften Überwurf bedeckt ist. Gemessen an unserem weitläufigen Haus wirkt dieses Zimmer zwar tatsächlich wie eine Puppenstube. Aber als
Sperrmüll
-Stübchen würde ich es nicht bezeichnen. Ich finde, es sieht eher aus wie eine Pralinenschachtel, in der viele bunt verpackte Köstlichkeiten glitzern.
«Gefällt dir meine Resteverwertung?» Erschöpft lässt sich Ulla auf ein kleines Sofa fallen. «Ich wohne zwar schon eine Weile hier, aber irgendwie bin ich immer noch am Einrichten. Die Wohnung ist kein Palast, dafür billig, und sie hat die wahrscheinlich schönste Aussicht der Stadt. Zu Sylvester hab ich sogar mein ganz privates Feuerwerk vor meinem Fenster!»
«Es ist zauberhaft», schwärme ich. «Wenn mein Mann nicht so einen schrecklich nüchternen Geschmack hätte, würde ich mich liebend gern auch etwas verspielter und vor allem viel farbiger einrichten. Wir wohnen nämlich komplett in grau-weiß.»
«Ach, ich hätte es gern weniger provisorisch. Aber seit ich nicht mehr in der Begleitagentur arbeite, bin ich ständig knapp bei Kasse …» Sie kramt in ihrer silbernen Handtasche, holt ihr Handy heraus und legt es auf den niedrigen Tisch, der zwischen dem Sofa und zwei Korbstühlen steht. Dann deutet sie auf den Beistelltisch, wo zwischen diversen Alkoholika eine Flasche Wodka steht. «Ich glaube, ich brauche jetzt erst mal ein Trösterchen. Was für ein Tag! Möchtest du auch einen?»
Dankend lehne ich ab, nehme aber eines der Gläser und schenke für sie ein. «Hast du denn überhaupt etwas zu Essen im Haus?», erkundige ich mich. «Sonst gehe ich schnell einkaufen.»
«Logo!» Ulla kippt den Wodka hinunter und schüttelt sich. «Uha … kulinarische Purzelbäume kann ich dir heute zwar nicht bieten, aber in meiner Küche gibt es stets frische Kräuter und genug Zutaten für einen Teller Nudeln. Im Kühlschrank müssten außerdem noch zwei Becher Quark stehen, und Kartoffeln sind sowieso immer da. Und es ist noch selbstgebackener Kuchen übrig. Wir können also ausgiebig schlemmen. Vielleicht sehe ich nicht so aus, aber ich bin eine leidenschaftliche Köchin!»
«Nun ja, Kochlöffel und Schürze kann ich mir bei dir nicht so richtig vorstellen», antworte ich flapsig. «Übrigens koche auch ich leidenschaftlich gern.»
«Na, bitte», grinst Ulla. «Noch eine Gemeinsamkeit.»
Zwanzig Minuten später sitzt Ulla auf dem Sofa, das verletzte Bein auf ein dickes Kissen gebettet. Ihr modisches Outfit hat sie inzwischen gegen eine bequeme Jogginghose und ein dazu passendes rotes Shirt getauscht. Ich habe ihr gegenüber auf einem rosa lackierten Korbstuhl Platz genommen. Vor uns stehen Teller mit Kräuterquark und dampfenden Pellkartoffeln.
«Sag mal, du hast vorhin von einer Begleitagentur gesprochen. Es war aber nicht so eine, wo Männer … na, du weißt schon, was ich meine?», frage ich neugierig und zerteile eine Kartoffel mit der Gabel.
Schwungvoll klatscht sie eine Portion Kräuterquark auf ihren Teller. «Doch, genau so eine.»
Ihrem angespannten Gesichtsausdruck entnehme ich, dass sie ungern daran erinnert werden möchte.
«Entschuldige, ich wollte nicht indiskret sein.»
«Schon okay, ich dachte ja auch zuerst, es handle sich um eine seriöse Agentur. Ich hab nämlich Russisch und Arabisch studiert und dachte, ich könnte während des Studiums die Gattinnen reicher Russen oder wohlhabender Scheichs zum Einkaufen begleiten oder dolmetschen und so. Während der Sommermonate gibt es doch massenhaft Araber, die nach München kommen, weil es bei ihnen zu heiß ist. Und reiche Russinnen trifft man ja das ganze Jahr über. Bei den ersten zwei Aufträgen waren es auch tatsächlich Frauen, aber dann sollte ich einem Russen die Stadt zeigen. Tja, aber der Mann wollte weder shoppen gehen, noch hatte er Bock auf Sehenswürdigkeiten. Der wollte nur mich
besichtigen
. Der Agenturbesitzer hat sich natürlich vielmals entschuldigt und so getan, als wäre das zum ersten Mal passiert. Aber als er mich dann noch öfter gelinkt hat, habe ich endlich kapiert, wie der Hase läuft. Genauer gesagt: Häschen. Denn der Laden war letztlich eine ganz banale Callgirl-Vermittlung. Seitdem arbeite ich nur noch für eine absolut seriöse Dolmetscheragentur. Da verdient man natürlich längst nicht so viel.
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