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Chili und Schokolade

Chili und Schokolade

Titel: Chili und Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilli Beck
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selbstverständlich im Kopf. Eier, Milch und Sahne sind doch bestimmt vorrätig? Sie müssen mir nur sagen, wo ich alles finde und für wie viele Personen ich die Creme zubereiten soll.»
    Auch Herr Keller scheint beeindruckt. Er verabschiedet sich vorerst und bittet mich, später noch mal in sein Büro zu kommen. «Es wären da noch diverse Einzelheiten zu besprechen, Frau Meyer.»
     
    Als ich am frühen Nachmittag nach erfolgreichem Probekochen und einem einvernehmlichen Gespräch mit dem Stiftsleiter wieder im Lift nach unten fahre, steigt im vierten Stock die junge blonde Frau zu.
    «Ach, hallo!», begrüßt sie mich wie eine gute Bekannte. Sie drückt auf den Erdgeschoss-Knopf und kramt aus ihrer Umhängetasche eine Zellophantüte mit Pralinen hervor. «Magst probieren? Schokotrüffel, Mandeln und ein Hauch Chili. Selbstgemacht!»
    Im Aufzug eines Seniorenheims von einem so heißen Feger (der so gar nicht nach Kochen oder Backen aussieht) selbstgemachte Pralinen angeboten zu bekommen, hätte ich mir nie träumen lassen. Mal abgesehen davon, dass ich nicht gewohnt bin, so einfach geduzt zu werden.
    «Schmecken echt geil», fügt Ulla noch hinzu, als sie mein Zögern bemerkt.
    Welche leidenschaftliche Köchin könnte bei so einem Angebot schon widerstehen? Also bedanke ich mich und greife ungeniert zu.
    Als der Lift im Erdgeschoss hält, steigen wir beide aus. Ulla schlendert neben mir her Richtung Ausgang und verabschiedet sich im Vorbeigehen winkend vom Portier. «Servus, Alois, bis nächste Woche.»
    «Servus, die Damen.»
    «Magst noch eine?», fragt sie, als wir auf der Straße vor dem Heim stehen. «Die müssen gegessen werden, bevor sie schmelzen. Eigentlich hab ich die ja für meine Oma gemacht, aber sie will abnehmen. Stell dir vor, die Frau ist achtundsiebzig!»
    Im Tageslicht leuchten Ullas Augen in den ungewöhnlichen Farben blauvioletter Veilchen. Ihr Haar fällt glatt und schwer über die Schulter und glänzt wie Honig, der vom Löffel tropft. Honigblond!
    «Ist sie denn zu dick?», erkundige ich mich höflich und greife erneut in die Tüte. Diese Chili-Schoko-Kugeln schmecken überraschend köstlich und weisen am Ende eine milde Schärfe auf. Unglaublich, dass die selbstgemacht sein sollen.
    Ulla schüttelt heftig den Kopf. «Nee, Oma ist ganz schlank und zierlich, aber letzte Woche ist hier ein zehn Jahre jüngerer Mann eingezogen, in den sie sich sofort verguckt hat. Wir Frauen machen doch die verrücktesten Sachen, sobald uns die Männer den Kopf verdrehen, oder?» Sie sieht mich keck an. Im Gegensatz zu mir erinnert sie sich wahrscheinlich tatsächlich an jede Menge Verrücktheiten.
    Ein älteres Pärchen spaziert an uns vorbei Richtung Eingang. Der Mann blickt sich nochmal um und lächelt Ulla verschmitzt zu, bevor er hinter seiner Begleitung das Haus betritt. Sie scheint es nicht zu bemerken. Auch nicht, dass ihr Pulli fast durchsichtig ist.
    «So ein Obermist», schnauft Ulla plötzlich und sieht nach oben in die aufziehenden dunklen Wolken. «Ich muss los, schaut nach Regen aus, und ich bin mit dem Fahrrad unterwegs.» Schon eilt sie davon.
    «Danke für die leckeren Pralinen», rufe ich ihr noch hinterher und gehe zu meinem Wagen.
    Heute muss mein Glücksfreitag sein, schmunzle ich beim Ausparken vor mich hin, auch wenn das Manöver etwas mühsam ist. Irgendjemand hat mich zugeparkt, aber das kann meiner guten Laune jetzt überhaupt keinen Abbruch tun. Denn so positiv überrascht wie Frau Stoll von meiner Dessert-Kreation war und so gut wie das anschließende Gespräch mit Herrn Keller gelaufen ist, müsste es mit dem Job eigentlich klappen.
    Während ich noch einmal zurücksetze, überlege ich schon mal, wie ich das Konrad beibringen kann, als mich ein dumpfer Knall erschreckt. Merde!, fluche ich leise und steige automatisch auf die Bremse. Fast gleichzeitig höre ich einen lauten Schrei, der mehr nach Wut als nach Schmerz klingt. Irritiert blicke ich aus dem Seitenfenster.
    Ulla ist mir in die Seite gefahren. Oder ich habe das Auto zu schnell aus der Lücke gefahren. Ich habe es gar nicht richtig mitgekriegt.
    Panisch steige ich aus. Ulla ist zwar nicht gestürzt, hat aber ihr Fahrrad fallen lassen. Sie lehnt jetzt am Auto und reibt ihren rechten Fuß. Ihrem verzerrten Gesichtsausdruck nach zu schließen, hat sie Schmerzen.
    «Mon dieu! Alles in Ordnung?», frage ich besorgt. «Es war meine Schuld, tut mir leid, ich war nicht auf den Verkehr konzentriert. Ich hätte noch mal in den

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