Chili und Schokolade
Aber zum Glück habe ich ja meine Oma, die mir immer mal wieder ein paar Scheinchen zusteckt. Wenn ich sie besuche, lese ich ihr russische Romane vor. Sie ist geborene Russin, lebt aber schon ewig in Deutschland.»
Staunend höre ich Ullas Redeschwall zu. Gemessen an meinem geregelten Hausfrauenalltag eignet sich ihr Leben als Vorlage für einen Hollywoodfilm.
«Das waren sicher schlimme Erfahrungen», vermute ich mitfühlend.
Ulla zuckt mit den Achseln. «Ach nee, im Nachhinein fand ich es eigentlich ziemlich amüsant. Wie überzeugt manche Männer doch von ihrer vermeintlich unwiderstehlichen Ausstrahlung sind! Egal wie alt, dick oder hässlich sie aussehen, ihr Selbstbewusstsein ist genauso unerschütterlich wie ihr Ego groß ist. Besonders das der kleinen Männer. Ich glaube, es stimmt wirklich, was man über den Napoleon-Komplex sagt.»
Für einen Moment muss ich an Konrad denken. Ich nicke schmunzelnd.
«Du lächelst so wissend», stellt Ulla fest. «Hast du etwa auch Erfahrung in der Callgirl-Branche?»
Erschrocken lasse ich meine Gabel fallen. «Mon dieu, nein! Mir fiel nur gerade das Ego meines konservativen Mannes ein. Ich darf zum Beispiel keine hohen Schuhe tragen, weil ich ihn sonst überragen würde wie Carla Bruni ihren Sarkozy …»
Ulla zerdrückt eine weitere Kartoffel. «Was hat denn deine Jobsuche im Stift ergeben? Wofür hast du dich eigentlich vorgestellt?»
«Die suchen eine Küchenhilfe.»
Ulla lacht herzhaft auf, als hätte ich ihr einen guten Witz erzählt. «Sorry, Evelyn, aber ich kann mir dich nur schwer beim Salat waschen vorstellen. Du trägst so stilvolle Sachen … wenn auch etwas bieder. Und dazu noch diese eleganten Perlenohrringe. Außerdem hast du so eine … so eine vornehme Ausstrahlung, als wärst du mit einem reichen Mann verheiratet und würdest höchstens mal die Espressomaschine einschalten, wenn dich eine Freundin besucht.»
«Vornehm bin ich wohl nur, wenn ich auf Französisch fluche …»
«Sag ich doch. Wer bei einem Unfall aussteigt und
mon dieu!
ausruft, der ist vornehm», kichert Ulla. «Sollten dir deine französischen Flüche mal ausgehen, kann ich dir wunderbar exotische Flüche auf Russisch oder Arabisch beibringen. Aber mal im Ernst, hast du den Job bekommen?»
«In ein paar Tagen gibt mir Herr Keller Bescheid..»
Ungläubig sieht sie mich an: «Also doch kein Scherz?»
«Ach, weißt du, seit Konrad oft nur noch am Wochenende zu Hause ist, bleibt meine Küche meistens kalt. Na ja, und deshalb sitze ich häufig untätig rum, wozu ich aber absolut keine Lust habe, weil ich leidenschaftlich gerne koche. Genau wie du», erkläre ich abschließend.
«Ja, unter diesen Umständen würde ich vielleicht auch lieber für Senioren kochen als gar nicht. Nur für sich selbst am Herd zu stehen ist schon langweilig, aber dann auch noch alles alleine essen zu müssen, das ist wirklich frustrierend.»
«Und dann macht es auch noch fett», ergänze ich und stöhne. «Seit die Zwillinge ausgezogen sind, habe ich fünf Kilo zugenommen! Ich hoffe, dass ich die durch den positiven Küchenstress im Stift schnell wieder loswerde.»
«Aber fünf Kilo sind doch ein Klacks», wundert sich Ulla. «Ein bisschen mehr Sport und schon schmelzen die Pölsterchen wie Butter in der heißen Pfanne.»
«In meinem Alter leider nicht mehr.» Beschämt blicke ich auf den leer geputzten Teller vor mir. Die dritte Kartoffel hätte ich mir eigentlich verkneifen sollen. Auf den Kuchen werde ich wohl verzichten.
«Was für ein Alter?» Ulla greift nach einem Stück Weißbrot, wischt damit genüsslich die Quarkreste vom Teller und lässt es sich schmecken.
«Nun, ich werde demnächst fünfzig. Da sitzt jedes Gramm wie festgeschweißt auf den Hüften.»
«Fünfzig!?» Ulla mustert mich überrascht. «Ich hätte dich allerhöchstens auf vierzig geschätzt, du hast kaum eine Falte und deine Haut glänzt wie frisch gegossener Zuckerguss.»
«Na, das ist doch mal ein süßer Vergleich.» Unsicher aber auch geschmeichelt, ziehe ich eine Grimasse. «Hier schau, alles voller Falten.»
Wir werden von einem melodiösen Klingeln unterbrochen. Ulla greift nach ihrem Handy, zieht aber vorher noch die Nase kraus. «Dann schau mich mal an, ich bin neunundzwanzig und kriege langsam Krähenfüße.»
Diskret nehme ich unsere leer gegessenen Teller und trage sie in die Küche. Da es keine Spülmaschine gibt, wasche ich das wenige Geschirr im Becken ab. Angetrocknete Kartoffelreste lassen sich ja
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