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Chili und Schokolade

Chili und Schokolade

Titel: Chili und Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilli Beck
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einen wirklich plausiblen Grund brauche, warum ich arbeiten muss. Unglücklicherweise bin ich aber eine ganz schlechte Lügnerin. «Also, ich … äh. Ich bekomme bei der … bei der Scheidung keinen Unterhalt», höre ich mich plötzlich sagen. Schnell verdecke ich meinen Ehering mit der linken Hand. Wer in Scheidung lebt, trägt sicher keinen mehr. Konrad hat seinen schon vor Jahren auf einer Baustelle verloren. Angeblich war er damit hängen geblieben und hatte sich verletzt.
    Meine Antwort ist wohl ausreichend. Die Falte auf Herrn Kellers Stirn weicht einem freundlichen Lächeln. «Haben Sie Kinder, um die Sie sich kümmern müssen?»
    «Nein, das heißt ja, ich habe Zwillinge, Jungs. Doch die studieren inzwischen und sind bereits ausgezogen.»
    «Aha.» Herr Keller lehnt sich in seinem Sessel zurück und mustert mich prüfend. «Demnach sind Sie also zeitlich ungebunden? Ich frage das nur, weil es zwar geregelte Arbeitszeiten gibt, es in einem exklusiven Haus wie dem unseren aber auch einmal später werden könnte. Unabhängigkeit und Flexibilität sind daher Vorbedingung.»
    «Das wäre kein Problem», antworte ich erleichtert. «Ich habe nicht mal mehr einen Hund. Er wurde vor kurzem überfahren.»
    «Verstehe», sagt er wieder, und es klingt tatsächlich mitfühlend. Dann erzählt er, dass sein Rauhaardackel letztes Jahr gestorben ist. Und aus dieser traurigen Gemeinsamkeit ergibt sich ein nettes Gespräch über das beglückende Zusammenleben mit Hunden, bis Herr Keller plötzlich vorschlägt, die Küche zu besichtigen.
    Würde er mir das anbieten, wenn ich nicht in die engere Wahl käme?, überlege ich auf der Fahrt ins Souterrain? Sein Vorschlag ist bestimmt ein gutes Zeichen. Vor lauter Aufregung spüre ich jetzt meinen Herzschlag in den Ohren.
    «Das Mittagessen wird gerade vorbereitet», erklärt Herr Keller beim Betreten der Küche.
    In der chromglänzenden und penibel sauberen Profiküche herrscht geschäftiges Töpfeklappern. An der Spüle hantiert ein dunkelhäutiger Mann in einem weißen Kittel mit Geschirr. Ein junges Mädchen, etwa im Alter von Timo und Jens, wäscht in einem großen Becken Tomaten. Auch sie trägt einen Kittel und ein Tuch über den Haaren. Überall stehen Schüsseln herum, gefüllt mit frischem Gemüse und Obst. In einem großen Topf auf dem Herd erkenne ich klare Brühe, und unter dem gekippten Fenster dampft auf einem Kuchenblech frischer Apfelstrudel. Es riecht wunderbar, weder nach altem Fett noch sonst irgendwelchen unangenehmen Küchendünsten. Meinem Eindruck nach wird hier nur Gesundes aus frischen Zutaten gekocht.
    «Frau Stoll, das ist Frau Meyer, die sich um die frei werdende Stelle bewirbt», stellt Herr Keller mich jetzt einer resolut wirkenden Frau vor, die mich sofort an Eulalia erinnert. Jedenfalls ist die dunkelhaarige Mittvierzigerin in weißer Hose und weißem T-Shirt genauso schlank wie meine Haushaltshilfe und mindestens fünfzig Kilo weit weg vom Klischee einer dicken Köchin.
    «Im Prinzip können S’ gleich dableiben», schnauft die Chefköchin mit bairischer Klangfärbung und mustert mich von oben bis unten. «Sofern Sie anpacken können und belastbar sind. Arbeit gibt’s hier immer genug, und heut sind wir sogar unterbesetzt.»
    «Selbstverständlich kann ich anpacken», versichere ich und betone, wie gerne ich koche. «Mir macht jede Küchenarbeit Spaß.» Na ja, auch wenn Zuarbeiten nicht gerade mein Traumjob ist, es wäre doch ein Anfang. Allemal besser, als völlig frustriert allein zu Hause zu sitzen, denke ich und habe plötzlich eine Idee. «Was halten Sie von einem Probekochen?», frage ich mutig.
    «Probekochen?» Frau Stoll fixiert mich kritisch und zupft an dem rot-weiß gemusterten Dreieckstuch herum, das ihr halblanges Haar zurückhält. Dann erscheint ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht. «Donnerwetter, das ist aber mal ein brauchbarer Vorschlag. Und was haben Sie sich da so vorgestellt?»
    Das ist meine Chance! Etwas kochen zu dürfen, gibt mir die Möglichkeit, Frau Stoll zu beweisen, dass ich keine einfältige Hausfrau, sondern genau die Richtige für diesen Job bin – und Herrn Keller kann ich zeigen, dass ich mehr draufhabe, als nur eine Familie zu bekochen.
    «Wie würde Ihnen eine Bayrische Creme gefallen? Die könnten Sie auch morgen noch servieren, falls Sie heute kein Dessert mehr benötigen», sage ich.
    Erstaunt stemmt die Köchin ihre Arme in die Hüften.
    Selbstbewusst spreche ich weiter: «Das Grundrezept habe ich

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