Chili und Schokolade
gerade noch verkneifen.
Ulla nimmt mein Angebot gerne an. «Du bist wirklich sehr hilfsbereit … äh, wie heißt du eigentlich?»
«Evelyn Meyer.»
«Meyer?», fragt sie überrascht und unterdrückt mühsam ein Lachen.
«Ja», bestätige ich verwundert. Dass mein Allerweltsname so amüsant ist, habe ich noch nie erlebt. Schließlich ist Meyer in sämtlichen Schreibweisen in München so normal wie Biergärten. Irritiert blicke ich sie an.
«Ich bin Ulla Bronner. Entschuldige, dass ich lache, aber mein Traummann, weißt schon, der, der mir das Fahrrad geschenkt hat, heißt auch Meyer. Henry Meyer.»
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5
«Das ist ja total verrückt!», quietscht Ulla aufgedreht, als sich auf der Fahrt zu ihrer Wohnung eine weitere Gemeinsamkeit herausstellt: Ihr Henry ist ebenfalls in der Baubranche tätig.
«Ich glaube aber nicht, dass die beiden sich kennen», wende ich ein. «Das hätte mir Konrad erzählt. Aber ein amüsanter Zufall ist es dennoch.»
«Ab hier kannst du schon mal nach einem Parkplatz suchen. Wir sind gleich da», erklärt Ulla, als ich darauf bestehe, sie sicher in ihre Wohnung zu bringen.
Während ich einparke, plaudert sie munter weiter: «Nein, ich glaube auch nicht, dass die beiden sich schon mal begegnet sind. Henry ist ja erst vor kurzem nach München gezogen … Da vorne, in dem Hochhaus wohne ich.»
Das Haus muss mit dem Boom um die Sommer-Olympiade 1972 gebaut worden sein. Und es macht nicht den Eindruck, als wäre es seit damals renoviert worden. Der schmutzig-graublaue Anstrich wirkt schrecklich trist bei diesem Regenwetter. An vielen Stellen ist der Putz abgeblättert und verwittert oder von laienhaften Graffiti beschmiert. Die gläserne Eingangstür weist einen diagonalen Sprung auf, die zahlreichen überschrifteten Klingelschilder zeugen von häufig wechselnden Mietern und die bemalten Briefkästen von kreativen Kinderhänden.
«Ein Glück, dass der Aufzug vor kurzem überholt wurde und wieder funktioniert», seufzt Ulla, als wir auf den Lift warten. «Zu Fuß in den elften Stock … mag ich mir gar nicht vorstellen. Hahaha.» Sie beginnt so heftig zu lachen, dass sie sich verschluckt.
«Hast du eigentlich immer so gute Laune?», frage ich neugierig.
«Ach, da müsstest du mich mal sehen, wenn ich koche! Dann höre ich Salsa-Musik, wackle mit dem Hinterteil und singe ganz laut dazu. Hey, wenn du noch Zeit hast, könnten wir doch gemeinsam was essen. Mittag ist zwar längst vorbei, aber ich hab einen Bärenhunger.»
«Ja, gerne», nehme ich ihre Einladung erfreut an. Ein Essen mit Ulla ist auf jeden Fall spaßiger als allein zu Hause rumzusitzen und auf Konrad zu warten.
Als sich die Tür des veralteten Lifts öffnet, steigt ein junger Mann aus und lächelt Ulla verzückt an. Gleich darauf blickt er entsetzt auf ihre Krücken und den bandagierten Fuß. «Au weh, was hast du denn angestellt?»
«Hallo, Stefan», lächelt Ulla zurück. «Kleiner Unfall. Ist nicht schlimm, muss nur für einige Tage einen Verband tragen.»
Stefan hält galant die Lifttür auf, bis wir eingestiegen sind. Bevor er geht, bietet er noch seine Hilfe an: «Melde dich, wenn du mich brauchst. Meine Nummer hast du ja.»
«Logo», verspricht Ulla übertrieben freundlich. Doch als wir nach oben fahren, brummt sie ungehalten: «Diese Nervensäge ist mein Nachbar. Den würde ich nur anrufen, wenn der Aufzug ausfällt oder ich bis zur Hüfte eingegipst wäre und mich jemand tragen müsste.»
«Das wollen wir doch nicht hoffen», antworte ich. «Gib mir schon mal den Schlüssel, damit ich gleich aufsperren kann.»
Geschickt nimmt Ulla beide Krücken in eine Hand, lehnt sich an die Wand und reicht mir ihre Tasche. «Hier, der muss in einem der Seitenfächer stecken.»
Die Wohnungstür öffnet sich zu einem winzigen, rosé gestrichenen Flur, der an einer Seite Platz für einen Spiegel im pinkfarbenen Rahmen und gegenüber für ein paar verchromte Garderobenhaken bietet. Ulla richtet ihre Krücke auf eine der drei offen stehenden Türen. «Geradeaus geht’s in mein Sperrmüll-Stübchen, links ins Bad, rechts in die Küche.»
Als ich ihr Zimmer betrete, bemerke ich als Erstes den traumhaften Panoramablick über das Olympiagelände. Durch ein deckenhohes Fenster, das sich über die gesamte Breite des Raumes erstreckt, fällt selbst bei so grauem Himmel wie heute unglaublich viel Licht herein. Die Einrichtung des mittelgroßen Zimmers besteht aus einem bunten Sammelsurium von Einzelstücken,
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