Chill Bill (German Edition)
kein Geld. Rebeiro spürte, dass ihm alle aus dem Weg gingen. Borboleta hatte sich verkrochen, die Nutten hatten Angst vor ihm. Patrícia vögelte wahrscheinlich gerade einen Touristen. Er war allein. Er ging in die Kajüte hinunter und schüttete sich den Sekt in die Kehle. Mit der leeren Flasche schlug er auf das Satellitenpeilgerät ein. Dann setzte er sich an das Funkgerät und rief Forçalobo.
FORÇALOBO AUS DEM RENNEN
Gonzalo Forçalobo liebte schnelle Autos. Die Formel 1 sollte bald in São Paulo ausgefahren werden. Er hatte einen kleinen Werbeauftrag geschaltet, um sich einen Platz in der Mitte des Geschehens zu sichern: drei Kilometer Bande mit den Farben Brasiliens und dem Mantra
Bom-Bom-Bom!!!
Insgesamt fehlte in der Botschaft noch Content.
Die Fahrer, die Wagen, die Frauen. Forçalobo wollte alles gerne aus der Nähe erleben. Als ihn Rebeiro anrief, war er gerade im Begriff, zu letzten Gesprächen über mögliche Subsponsoren nach São Paulo aufzubrechen.
»Sie sind seit Stunden vermisst. Kein Lebenszeichen. Es ist nichts in den …«
Forçalobo schnitt Rebeiro das Wort ab. »Verschone mich mit diesem ganzen technischen Kram! Ist unser Paket unterwegs?«
»Nein, äh, wir haben ein Problem.«
»Lös es!«
»Ich fürchte, wir können nichts machen. Der Grieche ist weg.«
Es entstand eine längere Pause. Forçalobo überschlug seinen Verlust.
»Das wird dir leid tun!«, knurrte er.
»Ich kann nichts dafür. Sie sind einfach nicht gekommen.«
»Du hast die Sache vermasselt. Morgen will ich wissen, was mit meinem Paket ist, klar?«
»Klar. Nur, wie zum Teufel soll ich sie so schnell finden?«
»Wenn du damit nicht zurechtkommst, sag es mir, und ich schicke jemanden, der sein Handwerk beherrscht.«
Rebeiro hielt inne. »Ich, äh, ich …«, stammelte er in den Hörer. Er spürte, dass er auf eine Mine gelaufen war. Das Leben war hart in seinem Job. Das war ihm bewusst.
»Was gibt’s noch zu sagen?«, fragte Forçalobo. Er gab seinem Piloten ein Zeichen. Dann reichte er seinem Leibwächter den Aktenkoffer mit den Verträgen für die Werbefritzen. Er schaute auf die Uhr. Rebeiro hielt ihn auf. Es half nichts. Er musste sich mit dem Ehrgeizling auseinandersetzen.
»Es tut mir leid«, sagte Rebeiro.
Forçalobo wollte davon nichts hören. »Mann, deine Gelassenheit möchte ich haben. Schade, dass du nicht hier vor mir stehst. Dann würde ich dir nämlich deinen Scheißkopf abreißen und ihn in deinen Scheißarsch rammen.«
Rebeiro wollte etwas sagen. Er kam nicht dazu.
»In dem Augenblick, wo ich etwas von der Sache in der Zeitung lese, bist du tot. Verstehst du mich?«
»Hier, gib das den Mädels!«, sagte Rebeiro und hielt Borboleta ein paar Scheine hin. Borboleta griff zu und hatte über fünfhundert
Reais
in der Hand. Sein Blick ging fragend zum Chef, aber er hielt lieber das Maul, bevor er sich noch unbeliebter machte. Er hatte Rebeiro nie so betrunken gesehen.
»Klar, Chef!« Eine Ahnung sagte ihm bereits, dass die Hälfte von der Kohle in seiner Tasche hängenbleiben sollte. Die Weiber waren mit zweihundert immer noch gut bedient.
Rebeiro wankte zurück. Gerade als er den Tritt nach oben erreichte, hielt er inne, drehte sich dann um, fiel vornüber, raffte sich wieder auf und nahm Borboleta das Geld aus der Hand.
»Ich bin viel zu müde«, sagte er, »ich gehe zu den Mädels. Du bringst uns nach Hause!«
»Ich? Ich weiß doch gar nicht, wie das Boot funktioniert.«
ERNÜCHTERUNG
Der klapprige Passat von Perto kam aus Richtung Avenida Brasil durch die schmalen Sträßchen der Innenstadt und wurde vor der Hauptwache der Militärpolizei langsamer. Perto hasste die MPs. Er wollte ihnen nicht in die Hände fallen, weil sein Auto falsch geparkt war oder irgendein nervöser Trottel von der Wachmannschaft ein Bombenattentat erwartete. Also drehte er unauffällig seine Runde um den Block, bis er einen legalen Parkplatz erwischte, stellte den Wagen ab und ging den Rest zu Fuß. Am Sonntag hatte er ein paar Telefongespräche geführt und so wusste er, dass Katz auf dem Weg nach draußen war. Perto brauchte nicht lange zu warten. Während er sich die Tabakfusseln seiner ersten Kippe aus dem Mund fischte, sah er einen ziemlich heruntergekommenen Katz über den Hof der MP-Kaserne kommen. Ein uniformierter Polizist schob ihn mit der Hand unter der Achsel vor sich her. An der Wache hielten sie an. Katz unterschrieb ein Formular. Der Uniformierte gab ihm einen Schubs durchs Tor und ging wieder
Weitere Kostenlose Bücher