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Chill Bill (German Edition)

Chill Bill (German Edition)

Titel: Chill Bill (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger M. Fiedler
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zum Hauptgebäude zurück. Katz blieb unschlüssig stehen, bis die Wachleute ihm durchs Gitter befahlen weiterzugehen. Katz hatte seine Krawatte in der Tasche, er sah aus wie jemand, der gerade aus der Ausnüchterungszelle kam.
    »Kssh!«, zischte Perto. Katz starrte ihn an. Während er die Straße überquerte, feixte er zu den Wachposten zurück. Er schimpfte unterdrückt etwas von Faschismus und Behördenwillkür. Perto reichte ihm eine Zigarette und ging voraus zum Auto.
    »Das wird denen noch leid tun!«, kündigte Katz an, als er sich in Pertos Auto zwängte. »Die lernen mich kennen.«
    »Ins Hotel?«, fragte Perto.
    Katz blickte steinern durch die Windschutzscheibe. »Sie haben mir meine Detective Special abgenommen, die Zigaretten und den Scotch. Fünfundzwanzig die Flasche. Arschlöcher!«
    Perto startete den Wagen. »Willkommen in Rio!«
    »Ihr seid ein unzivilisierter Haufen hier«, knurrte Katz.
    »Ja,
Massa
«, antwortete Perto, legte den Gang ein und ließ den Wagen zur Hauptstraße hinunterrollen.

MACUMBA
    Vincent saß am Fenster und beobachtete die Rollschuh laufenden Kinder in der Häuserschlucht zehn Stockwerke tiefer. Ab und zu nahm er einen Zug aus der bitteren Zigarre, die man ihm in einem der Tabakshops angedreht hatte, und dachte über die Frage nach, ob er unbemerkt in das Alter gekommen war, in dem man langsam impotent wurde. Seine Blicke schweiften über das Bett, auf dem Corelli eingerahmt von Patrícia und Carla in seligem Schlummer döste, und die auf dem Fußboden verteilten Kleidungsstücke zur Hausbar, an der sich eine halbleere Orangensaftflasche zwischen einem mächtigen Stapel von Corellis leeren Bierdosen zu behaupten versuchte. Draußen nieselte ein warmer Sprühregen vom Himmel, und die Kinder in der Häuserschlucht juchzten vor Freude. Vincent schlappte zum Geldkoffer, entnahm zwei Scheine und verteilte sie gerecht auf die Kleidungsstücke am Boden.

ALTE GESCHICHTEN
    »Stimmt es, dass Sie Ihre Karriere als Marineoffizier
Almirante
Forçalobo zu verdanken haben?«
    Freitas rutschte unwillig auf seinem Sessel herum. »
Almirante
Forçalobo habe ich als junger Mann kennengelernt …«
    »Halt!«, unterbrach der Adjutant, er soufflierte routiniert. »
Almirante
Forçalobo habe ich als junger Fähnrich kennengelernt.«
    Freitas skandierte den Text für sein Gehirn: »… als junger Fähnrich kennengelernt, als junger Fähnrich …«
    »Der Rangunterschied muss deutlich werden. Sie waren der junge, unerfahrene Fähnrich. Er war eine Gallionsfigur der Streitkräfte. Sie haben sich von dieser Figur einnehmen lassen. Das werden die Leute einem jungen Fähnrich verzeihen.« Der Adjutant hob von neuem an. »Stimmt es, dass Sie
Almirante
Forçalobo Ihre Karriere als Marineoffizier zu verdanken haben?«
    Freitas wägte einen Moment ab, als müsse er die Frage sorgfältig überdenken: »
Almirante
Forçalobo habe ich als junger Fähnrich kennengelernt. Dieser Mann hatte als Offizier große Qualitäten.« Freitas machte eine Kunstpause und fuhr dann fort: »Seine politischen Ansichten habe ich nie geteilt.«
    » schon damals nicht geteilt«, korrigierte der Adjutant.
    »… schon damals nicht geteilt«, wiederholte Freitas. »Diese politische Phase damals, äh … das war eine schlimme Zeit.«
    »Weiter, weiter«, sagte der Adjutant. Der Vortrag war gut. Vor allem Freitas’ Zerknirschung kam gut raus. Dieses ›äh‹ hatte er optimal plaziert.
    Freitas fuhr fort: »Eine schlimme Zeit, wirklich. Das Militär hätte niemals einen so großen Einfluss auf die Geschicke unseres Landes genommen …«
    »… bekommen …«, sagte der Adjutant. Die Formulierung ›
unseres
Landes‹ hatte Freitas endlich gefressen. Das kam jetzt sehr gut, ›unseres Landes‹, trara, sehr gut!
    »… bekommen …«, verbesserte Freitas, »… bekommen, wenn die politischen Verhältnisse nicht so unübersichtlich gewesen wären.«
    Freitas drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. »Bringen Sie Kaffee und ein Glas Wasser!« Er wandte sich an seinen Leutnant. »Nehmen Sie etwas?«
    Der Adjutant lehnte ab.
    »Das ist alles«, gab Freitas durch.
    »Also, die politischen Verhältnisse …« Freitas stand auf und ging zum Fenster. Auch das hatten sie besprochen. Dramaturgie war alles. Der Gang zum Fenster, der Blick in die Straßen. Offenheit, Beweglichkeit demonstrieren, Interesse für das Wohlergehen all der Leute dort unten. »Heute haben wir die gleichen Probleme wie damals: Kriminalität, wirtschaftliche

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