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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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ersten Tag stand er noch am Kopierer und sagte lässig: »Na, ich lass das alles mal auf mich zukommen. Ich stress mich nicht.« Und alles kam auf ihn zu, es überrollte ihn förmlich. Nach ein paar Wochen war er stark abgemagert und hatte ziemlich schlechte Haut. Jetzt lechzt er geradezu nach jeglicher Art von Hilfe. Die gebe ich gerne: »Na ja, dann sag ihnen doch die Zensuren noch nicht. Oder sag, dass die Zensuren noch bis zum letzten Tag geändert werden können.«
    In meiner Klasse werden sie ihm das nicht abnehmen, denn ich habe bereits letztes Jahr genau erklärt, wie das mit der Zensurenabgabe und der Zeugniskonferenz funktioniert. Bin isch für Transparenz? Vallah , ja, isch schwöre.
    »Also, ich mach mit denen noch bis zum bitteren Ende Unterricht. Ich werde nachher ein neues Kapitel anfangen und vielleicht schreibe ich nächste Woche noch einen Vokabeltest«, höre ich mich plötzlich sagen. Was erzähle ich denn da? Hört sich auf jeden Fall gut an. Gestern hatte ich zwar die Bücher ausgeteilt, dann habe ich mich aber sehr schnell überreden lassen, Futurama zu gucken. Ich mache eigentlich schon seit Wochen keinen normalen Unterricht mehr. Der Beamer wird bei mir gar nicht mehr abgebaut. Entweder lasse ich meine Schüler mit einander quatschen, Kartenspielen oder irgend einen Horrorfilm sehen: »Nein, der ist ab zwölf. Wirklich! Das ist alles Verarschung, der Film macht sich über richtige Horrorfilme lustig. Ich schwöre, Frau Freitag.«
    Irgendwie scheinen sich meine Unterrichtsmethoden in der Schule rumgesprochen zu haben, denn es kommen vermehrt fremde Schüler zu mir: »Frau Freitag, haben Sie Ihre DVDs mit? Können wir die für Geschichte ausleihen?« Beruhigend, dass mittlerweile fast alle in der Kinozeit angekommen sind. Meine Mutation zur Videothek rettet so manchem Lehrer eine langweilige und kräftezehrende Vorferienstunde.
    Früher, als ich noch keinen Beamer hatte, versuchte ich vor den Ferien dem Schülerwunsch nachzukommen, endlich mal was Schönes zu machen. Eine besonders beliebte Schülerfrage ist ja definitiv: »Können wir heute mal was spielen?« Nachdem ich allerdings mehrere dieser Spielstunden meisterhaft ins Chaos gesteuert und irgendwann gemerkt habe, dass ich nicht ein Spiel zu Ende bringen konnte, habe ich es aufgegeben. Nun gehe ich den Weg des geringsten Widerstandes: »Okay, schließt schon mal den Beamer an.« Irgendwann muss ich ja schließlich meinen Schreibtisch und die Schränke aufräumen, das Klassenbuch nachtragen und die Schulbücher putzen. Warum schaffe ich es eigentlich nicht, meine Klasse zum Kauf von Buchschutzhüllen zu bewegen? Zeit genug hätten sie dazu gehabt.
    Der meiste Unterricht spielt sich vor den Sommerferien auf dem Hof ab. »Was macht ihr hier draußen? Ihr habt doch jetzt Erdkunde!«, frage ich meine Klasse während meiner Aufsicht. »Wir dürfen!«
    Wenn die Schüler nicht Hof oder Filmegucken haben, spielen sie oder helfen den harten Hunden beim Aufräumen. Unterricht gibt es meines Wissens nicht mehr. Aber wehe, wehe, wenn ein Schüler zu mir kommt und darum bittet, drei Tage früher in den Urlaub fahren zu dürfen. Das geht gar nicht! Anweisung von ganz oben! Diese unglaubliche Dreistigkeit wird von uns geahndet wie ein Kapitalverbrechen.
    Freudig kommen sie zu mir: »Frau Freitag, wir gehen schon Donnerstag Türkei!«
    »Schön. Hast du es gut. Aber du darfst mir das nicht sagen, also sag mir so was nie wieder.«
    Mein Vorschlag wäre, das Früher-in-die-Ferien-zu-fahren-weil-die-Flüge-viel-billiger-sind zu erlauben und den Wir-machen-irgendeinen-Firlefanz-damit-die-Zeit-bis-zu-den-Zeugnissen-schnell-rum-ist-Unterricht abzuschaffen und zwei Wochen vor den Ferien nur noch hammermäßig geile Sachen mit den Schülern zu unternehmen.
    Dann heißt es: »Na und, dann fahr doch in dein Libanon-Dorf zu Oma und Opa, wir gehen Montag mit Frau Freitag Fallschirmspringen, Dienstag Kartfahren, Mittwoch Heidepark, mit Übernachtung, Donnerstag Konzert von 50 Cent und Freitag wissen wir noch nicht.«
    Und was ist mit uns Lehrern? Haben wir uns nach dem Überleben eines anstrengenden Schuljahres nicht auch was verdient? Ich denke, von uns legen nur wenige Wert auf einen Heideparkbesuch, aber belohnen wollen wir uns auch. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, sagt man doch so schön. Aber was ist mit Schnaps im Dienst?
    Diese Frage stellt sich für uns jährlich in der Schuljahresendzeit, denn da häufen sich für uns Lehrer die Feierlichkeiten in

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