Chill mal, Frau Freitag
dazu? Ich frage mich selbst, was der Lieblingsschüler letztendlich auf dem Zeugnis stehen haben wird. Eigentlich hat er die zwölf Punkte nicht verdient. Aber wenn er sie doch so gerne hätte? Und wenn ich dafür bei allen anderen hart bleibe? Wahrscheinlich wird der Lieblingsschüler einen Punkt mehr auf seinem Zeugnis haben. Wenn er das bei allen Kollegen schafft, dann hat er ein ziemlich gutes Zeugnis.
Was macht einen Schüler eigentlich zum Lieblingsschüler? Und warum ist mein Lieblingsschüler nicht jedermanns Lieblingsschüler? Das Phänomen, einen Schüler besonders zu mögen, kennt wohl jeder Lehrer. Aber es sind nicht immer die leistungsstarken, gut angepassten Alles-richtig-Macher. Und es sind auch nicht immer nur Jungs! Wie wird man also Frau Freitags Lieblingsschüler? Wer Interesse hat, muss sich nur an folgende Punkte halten:
1. Öfter mal in Frau Freitags Unterricht vorbeikommen Regelmäßige Anwesenheit hilft. Allerdings war mein erster richtiger Lieblingsschüler ein »Schuldistanzierter« allererster Güte. Aber es freut Frau Freitag schon, wenn er oder sie sich oft blicken lässt.
2. So tun, als interessiere man sich für Frau Freitags Unterricht Es ist natürlich toll, wenn sich jemand für meinen Unterricht interessiert, kommt aber so selten vor, dass ich eigentlich schon gar nicht mehr damit rechne. Was ich allerdings überhaupt nicht mag, sind Schüler, die in einer offensichtlich langweiligen Stunde übermäßiges Interesse heucheln. Verarschen kann ich mich alleine und durch Schleimerei wird man bei Frau Freitag gar nichts, sondern läuft nur Gefahr, am Ende weniger Punkte zu bekommen, als man eigentlich verdient hätte. Es in schlecht vorbereiteten Stunden mit der Mitarbeit zu übertreiben und zu denken, ich freue mich darüber, beleidigt mich sehr. Dieser Schwachsinn, der teilweise in den Lehrbüchern steht, geht mir mitunter auch auf die Nerven. »Meint ihr vielleicht, mich interessiert, was britische Schüler zum Frühstück essen? Was werden die schon essen? Ungesunden Scheiß oder gar nichts. Hallo: England, Schulkinder, Frühstück …« Aber auf meiner Begeisterungswelle mitzuschwimmen und völlig aus dem Häuschen zu geraten über Randphänomene der englischen Sprache oder Absonderheiten in der Kunst, das kommt bei Frau Freitag immer gut an. »Ist doch voll geil, dass man die Adverbien meistens an dem -ly erkennt, ist ja im Deutschen nicht so. Great!«
3. Auch mal was Lustiges sagen Ganz wichtig: Humor! Alle meine Lieblingsschüler machen ausgezeichnete Witze. Gerne auch über mich, damit hab ich kein Problem – wenn sie gut sind. Aber auf keinen Fall dürfen sie nur über Slapstick-Einlagen meinerseits lachen. Irgendwann ist es einfach nicht mehr komisch, dass Frau Freitag immer wieder über die Kabel vom Overheadprojektor stolpert. Lieblingsschüler haben also Humor und schaffen es, eine gute Stimmung in der Gruppe zu erzeugen.
4. Bitte nicht völlig überangepasst sein Das Schulsystem in seiner jetzigen Form ist nicht perfekt. Deshalb kann selbst Fräulein Krise, die für mich die beste Lehrerin der Welt ist, nicht immer optimal tollen Unterricht machen. Jeder halbwegs engagierte und intelligente Lehrer hadert täglich mit den Umständen: Räume, Ausstattung, Gruppengröße, Zeit, Rahmenpläne und so weiter. Da wäre es doch komisch, wenn man ausgerechnet den Schüler toll fände, der nirgendwo mehr aneckt. Eine Portion gesunde Skepsis und Ablehnung der Schule gegenüber gehört unbedingt zu einem Lieblingsschüler.
5. Und last but not least … Schön, wenn der Schüler auch noch gut aussieht!
Also wie man sieht, ist es doch gar nicht so schwer, Frau Freitags Lieblingsschüler zu werden. Man hat auch gewisse Vorteile: Man darf öfter aufs Klo, Verspätungen werden nicht so streng geahndet, vergessene Hausaufgaben, ach, na ja … Und am Ende gibt es dann die gewünschte Punktzahl. Ist doch eigentlich gar nicht schlecht. Ich frage mich nur immer wieder: Warum sind es trotzdem nur so wenig?
»Aber es ist schon durchgekommen!« (Ende Juni, noch drei Wochen)
Wer hat eigentlich Sportfeste erfunden? Bestimmt die Griechen – schönen Dank auch! Und wer kam eigentlich auf die Idee, auch in Schulen ständig Sportveranstaltungen zu organisieren? Da jagt das Leichtathletikfest das Fußballturnier, und wir armen Klassenlehrer werden dauernd zur Aufsicht eingesetzt. Gerade jetzt, in der Schuljahresendzeit, häufen sich diese Events. Dabei könnte ich so schönen halbgaren,
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