Chill mal, Frau Freitag
Schimpfwörterstunde. Ich startete den Film. Die Schüler legten die Füße auf die Stühle, packten ihr Frühstück aus und entspannten sich. Als Billy Elliot bei der Ballettstunde der Mädchen mitmachte, schrie Emre: »Schwuchtel, Homo, Halbjunge!« Ich tat so, als hörte ich ihn nicht, ging zum Fernseher und drehte den Ton auf maximale Lautstärke.
Das Buch Mit Schülern klarkommen habe ich seitdem nicht mehr in der Hand gehabt, aber ich bin mir sicher, Herr Rau, unser Referendar, würde sich darüber freuen.
Bald ist wieder Schule
Sechs Wochen reichen doch eigentlich dicke. Nach dem Aufräumen habe ich mich durch die restlichen Ferienwochen gelangweilt. Bei mir mischt sich Vorfreude mit extremer Unlust. Macht wenig Sinn, ist aber so.
Nach langjähriger Erfahrung habe ich festgestellt, dass man spätestens am Mittwoch wieder voll drin ist und sich durchs neue Schuljahr strampelt. Nach etwa zwei Wochen setzt der Alltag ein, dann ist das Klassenbuch vorgeschrieben, die Kurs-listen sind in die Kursbücher übertragen und die Arbeitspläne für das erste Halbjahr bei den Fachbereichsleitern abgegeben. Man kennt die Schüler, hat auch schon mit einigen Eltern telefoniert und raucht mit neuen Kollegen. Ich freue mich immer sehr auf neue Kollegen. Stets bin ich zur Stelle, wenn sie unwissend im Weg stehen und nicht wissen, wo das Sekretariat ist, wie man Fehlzeiten dokumentiert, mit wem sie sich gut stellen und wem sie aus dem Weg gehen sollten. Hoffentlich bekommen wir auch ein paar von diesen armen Referendaren. Spiegelt sich doch in deren Ausweglosigkeit meine Erfahrung. Zeigt sich doch in jeder ihrer verkackten Desasterstunden meine Routine. Mit wohligem Schauer im Rücken, höre ich mir immer gerne ihr Leid an, erinnere mich dunkel an mein eigenes Referendariat und gebe ihnen mit großer Freude den einen oder anderen unbrauchbaren Tipp.
So kurz vorm Ferienende ergehen wir Lehrer uns in Selbstmitleid. Von allen Seiten kommt Leid und Gejammer. Frau Dienstag, die Arme, muss schon morgen hin. Fräulein Krise ist gerade erst aus Frankreich zurück. Die nutzt die Ferien immer optimal aus, klagt dann allerdings: »Ich bin so müde. Frankreich war so anstrengend. Ich brauch glatt noch mal drei Wochen Ferien.«
Aber bei mir ist es besonders schlimm: Nicht nur, dass die Schule wieder anfängt, jetzt fällt mir auch noch ein, dass die lieben Kleinen schon wieder fasten. Da ich fast nur Hardcore-Moslems unterrichte, halten eigentlich alle den Ramadan ein. Das kann ja heiter werden. Nicht nur, dass die mit ihrer schlechten Laune wieder in den Unterricht kommen, völlig unausgeschlafen: »Isch kann misch nisch umgewöhnen, vallah .«
Dann werden sie auch noch wegen der Hitze jammern: »Warum haben Sie kein Klima, is zu heiß hier, wann gibs hitzefrei?« Und jetzt auch noch meine Lieblingssäule des Islam, das Fasten: »Isch kann nich mitmachen, ich hab nix gegessen.« Und dann die Mode, jetzt tragen doch alle diese superkurzen Hotpants. Ob die Schüler das auch machen? Ist mir vor den Ferien noch nicht so aufgefallen, aber jetzt sehe ich dieses Rein gewurste überall. Ich will das nicht. Die Hosen sollen nicht so kurz sein. Ich bin sowieso für eine Schuluniform und Zwangsernährung während des Ramadans.
Aber die sollen mir mal mit »Ich faste« kommen, dann werde ich ihnen was erzählen. Ich habe mich auf Wikipedia mal schlau gemacht, wie sich das mit den übrigen Verhaltensregeln während der Fastenzeit verhält: »Nach dem Gesetz wird Fasten als Enthaltung (imsak) von bestimmten Tätigkeiten definiert: Verzehr von irdischen Substanzen und Speisen sowie Getränken, Rauchen, Geschlechtsverkehr, Trunkenheit und Irrsinn.«
Rauchen: Also, wehe dem, der am Montag auf dem Hof beim Rauchen erwischt wird – und mir dann in der nächsten Stunde vorjammert, er könne nicht am Sport teilnehmen, weil er faste.
Trunkenheit: Ich bin verwirrt, Alkohol ist doch gar nicht erlaubt, oder hab ich da was falsch verstanden?
Geschlechtsverkehr und Irrsinn: Nun ja, mit Ersterem habe ich weniger zu tun, aber man soll sich des Irrsinns enthalten! Wunderbar! Das werde ich der 7. Klasse, die ich in der achten und neunten Stunde in Kunst habe, gleich schriftlich geben: »Jungs, Koran sagt: Kein Irrsinn während Fasten!« Weiter heißt es: »Zum Fasten ist jeder Muslim verpflichtet, der in vollem Besitz seiner Geisteskräfte (‘aqil), volljährig (baligh) und körperlich dazu imstande (qadir) ist. Das Fasten eines Minderjährigen mit
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