Chill mal, Frau Freitag
Freitag, heute sind Sie voll nett.«
Ja, ich war wirklich voll nett. Und ist es mir schwergefallen? Überhaupt gar nicht! Und war das Nettsein gut? Ja, voll! Und warum bin ich nicht immer einfach mal voll nett? Tja, wenn ich das wüsste …
Auftrag für die kommende Woche: Einfach mal wieder voll nett sein!
Eigentlich waren die ersten fünf Tage im neuen Schuljahr gar nicht so schlimm. Vielleicht trat während der Ferien doch heimlich so etwas wie Erholung ein. Kann auch sein, dass die Schüler nicht so schlecht drauf waren, wie ich befürchtet hatte. An einen Reifungsprozess während der unterrichtsfreien Zeit traue ich mich noch nicht zu glauben. Die erste Woche im neuen Schuljahr ist jedenfalls geschafft. Willkommen, wundervolles Wochenende. Heute frei, morgen frei, übermorgen wieder dabei. Langsam müssten doch alle Schulen wieder die Arbeit aufgenommen haben, oder? In jeder Schule startet das neue Schuljahr mehr oder weniger turbulent. Nur nicht bei Frau Dienstag. Da gibt es immer einen äußerst soften Anfang. Erst mal chillen, dann mal sehn, wird schon irgendwie werden. Da fangen sie mit Praktikumsbetreuung an, mit Projektwochen, mit Wander- oder Studientag. Ich sollte dorthin wechseln. Frau Dienstag ist jedenfalls immer sehr entspannt. Hat noch genügend Kraft, um mich ausreichend zu bemitleiden. Wenigstens etwas. Und nun arbeitet sie sogar an einer Erkältung. Sie hat so viel Zeit, dass sie sich jetzt Allergien anschafft.
Ein Lichtblick in meiner stressigen Anfangsphase ist jedenfalls definitiv Fräulein Krise. Die ist immer gut für tägliche Dramen und Katastrophen. Ruf ich sie abends an, um ihr von meinen Niederlagen zu berichten, dann ist es bei ihr garantiert noch schlimmer gewesen. Komme ich um 17 Uhr nach Hause, sagt sie: »Bin gerade rein. Steuerungsgruppe. Ging bis 19 Uhr.« Habe ich drei neue Schüler in der Klasse, dann hat sie garantiert fünf. Hat sich bei mir einer das Bein gebrochen, ist bei ihr einer gestorben.
Im Vergleich mit Fräulein Krise geht es mir eigentlich immer noch ganz gut. Verglichen mit Frau Dienstag könnte ich mir gleich ‘nen Strick nehmen. Also muss ich nach einem Dienstag-Gespräch immer noch Fräulein Krise anrufen. Für die ultimative und lang anhaltende Glückseligkeit müsste ich mich allerdings mal wieder mit ein paar Referendaren anfreunden. Das Leben funktioniert echt vergleichsweise.
Arbeit, Arbeit, Arbeit
Gestern und heute gab es keinen Feindkontakt, wegen Wochenende. Dafür habe ich mich stundenlang auf die kommende Woche vorbereitet. Fünf Stunden, und ich bin immer noch nicht fertig. Wollen wir doch mal sehen, ob das Unterrichten nicht doch leichter fällt, wenn man sich gut vorbereitet.
Ich schwanke bei meinen Vorbereitungen immer zwischen: »Bringt eh nichts. Die haben sowieso keinen Bock, egal, was ich denen anbiete.« Und: »Die können zwar nichts, aber jetzt kommt Frau Freitag – Megateacherwoman – und wird denen mal zeigen, wo’s langgeht. Wäre doch gelacht, wenn die nicht am Ende alle Abitur machen.«
Und dann stehe ich da mit meiner tollen Vorbereitung und meinen Methoden und Medien und dem ganzen Schnulli, und es sind 35 Grad, alle haben Hunger, wollen aufs Klo oder nach Hause, oder ein Spatz fliegt im Klassenraum herum – dann kann man auch mit den schönsten Methoden nichts erreichen.
Oft frage ich mich nach der Stunde, warum ich mich eigentlich so genau vorbereitet habe. Okay, weil es mein Job ist. Logo. Aber mal davon abgesehen, wäre es nicht besser, ich amüsierte mich das gesamte Wochenende von Freitag nach dem letzten Klingeln bis Montagmorgen um fünf? Ausgelassen und glücklich käme ich dann in die Schule und würde mich lässig durch den Tag schummeln. »Frau Freitag, Sie sind aber heute nett.« – »Ja, vallah , sie hatte voll gute Laune.« Klar, ich war ja auch übers Wochenende in Rom oder auf ‘nem Rave oder in einem Wellnesshotel, Paddeln, Campen oder Ballonfahren. Habe zwei Tage nicht an die Schule und die Patienten gedacht und mich enorm erholt. Ich könnte auch direkt aus der Disco in die Schule kommen. Hat doch als Schülerin auch geklappt.
Fräulein Krise hat mal ein halbes Jahr so getan, als stünden die Sommerferien vor der Tür, dabei war es Winter. Frau Dienstag verlängert das Feriengefühl, indem sie – wie gesagt – erst sehr verspätet anfängt. Und ich, ich sitze hier den ganzen Tag schlechtgelaunt am Schreibtisch. Highlight des Tages – die Lindenstraße .
Fräulein Krise, Frau Dienstag, lasst
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