Chill mal, Frau Freitag
Axelschweiß, Hässlichkeit, Hundekind, Votzenkind, Schwanz, Behinderter, ich fick deine Fotze (auf türkisch), Brillenschlange, leck meine Eier, du kannst mal meine Eier schmatzen, Wichser, Tarzan, roll mal weiter, Kartoffel, Nachgeburt, Messi, Fickfehler, Ausrutscher, Votzenlecker, dein zu hause ist eine Mülltonne, Judenschwein, geh mal Kacken, Penner, Stinktier, dein Vater hat sieben Eier, deine Mutter hat ein Auge und lacht über Cyclopen, Stand gebläse, Transe, heul doch, Heulsuse, T T T (Toilettentieftaucher), feuchte Nutte, Kanake, Kartoffel, Polake, Fettfinger, geh mal in den Puff, deine Familie versucht Hitlers Familie nachzumachen, Pornolocke, Finger dir eine beim Schlafen, arschgefickter Hurensohn, deine Mutter hat Glatze und lacht über Britney Spears, deine Oma versteigert Dildos bei Ebay, deine Mutter hat Achselhaare und kämmt sie jeden Tag, deine Oma verkauft Drogen, dein Opa verkauft Haschisch, deine Oma fährt Motorrad und geht in die Disco, deine Mutters Nippel sind dick, du abgefickter Nuttensohn, deine Mutter schwitzt beim Kacken, auf deiner Mutters Stirn ist ein Schwanz, deine Mutter klaut Grabsteine beim Juden, dein Vater ist Standgeburt, deine Mutter hat drei Titten, deine Mutter hat keine Titten, Fehlgeburt, dein Mutter hat ein Ei.
Hm, dachte ich, mal sehen, was die jetzt in dem Buch vorschlagen! Ah, hier, da stehen auch Beispiele für Beleidigungen: »Schattenparker, blinde Kuh, Doofnase, Zicke, Brillenschlange«. Wie soll ich denn jetzt weitermachen? Wir müssen die doch jetzt alle auswerten und besprechen, Rollenspiel, Alternativen finden, kategorisieren, feststellen, welche Schimpfwörter besonders verletzen, welche häufig, welche selten vorkommen. Alternativen finden. Alternativen finden: Das ist die Idee.
In der folgenden Stunde habe ich die Schüler aufschreiben lassen, was man statt einer Beleidigung noch sagen kann. Da kamen ganz gute Sachen raus. Lieblingssprüche der Schüler: »Talk to the hand.« – »Lass dir mal einen Termin bei meiner Sekretärin geben.« Anscheinend mangelte es ihnen nicht an Ideen, sich schimpfwortfrei auszudrücken. Ich habe zu Hause alles abgetippt, dabei kamen fünf Seiten raus. Die habe ich auf farbige Blätter gedruckt und laminiert. Ich wollte, dass jeweils sechs Gruppen alle Sprüche zur Verfügung haben, und zwar als eine Art Kartenspiel.
Mein Plan war so: Die Schüler sitzen zu fünft an einem Tisch, und der, der dran ist, würfelt. Bei einer Eins oder einer Sechs darf er sich eine Person aussuchen, die er beleidigt. Diese Person nimmt dann eine Alternativkarte vom Stapel und antwortet mit einem Spruch, der auf der Karte steht, auf die Beleidigung. Dann entscheidet die Gruppe, ob das gut war, ob der Spruch gepasst hat oder nicht. Aber irgendetwas gefiel mir an dieser Stundenplanung nicht. Der Deutschlehrerfreund sagte, dass er die Beschimpfungen vorgeben würde. Frau Dienstag hätte die ganze Einheit sowieso nicht durchgeführt, weil sie den verbalen Schmutz nicht ertragen hätte. Sie hätte von Anfang an die Zügel fest angezogen und schon ein harmloses »Scheiße« mit drakonischen Strafen belegt.
Ich rief Fräulein Krise an: »Fräulein Krise, ich habe den Eindruck, dass die Schüler noch viel mehr Schimpfwörter benutzen, seit ich mit dem Thema angefangen habe. In dem Buch stand doch, dass die das Interesse verlieren würden. Haben sie aber nicht. Und jetzt hab ich Angst, dass sie sich nur noch krassere Beleidigungen ausdenken.«
Fräulein Krise erzählte mir, dass man früher in der Biologie zur Einführung in die Sexualkunde die Schüler immer alle Begriffe für die Geschlechtsteile aufschreiben ließ. Mit dem Ergebnis, dass dann auch die ahnungslosen, gut erzogenen Schüler ihren perversen Wortschatz erweiterten.
»Warum beendest du das nicht einfach und fängst was Neues an?«
»Aber jetzt habe ich doch die ganzen laminierten Karten. Und was sollen die Schüler denken, wenn wir einfach nicht mehr weitermachen? Die erwarten doch jetzt eine Art Auflösung des Ganzen.«
Fräulein Krise überzeugte mich, dass die Schüler sowieso nicht erkennen, dass die Lehrer beim Unterrichten so etwas wie Struktur im Kopf haben. Die würden das gar nicht merken. »Geh einfach rein, verbiete alle Beleidigungen und fang ein neues Thema an«, riet sie mir.
Ich habe mir aus der Bibliothek Billy Elliot – I will dance ausgeliehen. Ein Film über einen zwölfjährigen, der Tänzer werden will. Kein Schüler verlangte nach einer Aufarbeitung der
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