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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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uns mal nächstes Wochenende nach Binz fahren. Oder nach Venedig oder Malle. Scheiß auf Vorbereitung – lass mal alles aus’m Ärmel schütteln. Improvisieren lautet die Devise. Erst mal slow anfangen, mit Montagmorgenkreis und Frühstücken und Quatsching und so. Die Schüler dort abholen, wo sie sind – vom Hof, von zu Hause, aus dem Bett. Den Schülern fällt der Unterschied sowieso nicht auf.
    Neue Klassen, neues Glück
    Heute die letzte neue Gruppe kennengelernt. 7. Klasse, Kunst, Doppelstunde. Schon wenn sie den Raum betreten, kann der erfahrene Pädagoge die unterschiedlichen Schülertypen erkennen.
    Die Sitzenbleiber kommen betont lässig und langsam reingeschlurft, sie setzen sich möglichst weit weg von der Tafel und von mir, in die hinterste Reihe. Dort kippeln sie die gesamte Stunde. Nichts dazugelernt könnte man meinen, denn mit diesem Verhalten haben sie bereits das letzte Schuljahr versemmelt. Warum setzen sie sich dann nicht einfach nach vorne und tun wenigstens so, als wollten sie in diesem Schuljahr alles besser machen?
    Dann kommen die Irgendwie-will-ich-Quatsch-machen-aber-wenn-der-Lehrer-mich-hart-anguckt-kriege-ich-Schiss-Kinder – die muss man nur mal streng angucken, und dann sind die auch wieder ruhig und machen, was man sagt.
    Dann sind da die Sonderlinge, oft mit Brille und Zahnspange. Früher hatten diese Kinder so abgeklebte Brillengläser. Sie sind gerne schlecht angezogen und müffeln manchmal. Niemand aus der Klasse will was mit ihnen zu tun haben. Ihr größtes Ziel: unsichtbar sein – bloß nicht auffallen. Deshalb machen sie sofort alles, was man ihnen sagt. Außer olfaktorisch hat man mit ihnen keine Probleme.
    Außerdem sind da die gutgelaunten, grinsenden Mädchen, die alle voll lieb zueinander sind: »Hier, du kannst mit in mein Buch gucken.« Sie sind pünktlich und höflich, befolgen alle Regeln und sind gut in Kunst. Sie sind die Stützen der Klasse.
    Dann kommen ihre schlechtgelaunten Gegenspielerinnen. Die gutaussehenden, frühreifen Schule-ist-langweilig-Mädchen. Vor denen haben die lieben Schülerinnen Angst. Die hübschen Biester sind nur an ihrem Äußeren interessiert. Schminken sich schon seit der 4. Klasse und reden ständig über Jungs. Sie haben immer Probleme und keinen Bock auf egal was. Die musst du kriegen, sonst kannst du das Schuljahr vergessen. Angeführt werden sie von Sitzenbleiberinnen. Die auf deine Seite zu holen ist aber eigentlich gar nicht so schwer, denn sie stehen total auf Lob und Zuwendung: »Du hast einen guten Strich, da erwarte ich viel von dir in Kunst. Dein Farbgefühl ist super, dass sieht man ja schon an der Zusammenstellung deiner Klamotten.«
    Und schließlich sind da noch die Jungs aus der ersten Reihe. Auch heute wieder, zwei ganz bezaubernde Exemplare, direkt vor meiner Nase. Sie heißen Kevin und Martin. Die machen erst mal genau das, was du ihnen sagst, und dann versuchen sie, mit Petzen und Schleimerei bei dir zu punkten: »Der Mohamad ist immer so, der stört auch in den anderen Unterrichtsstunden.« – »Christine kommt immer zu spät.« – »Gucken Sie mal, der Dirk hat keinen Bleistift dabei.« Und zwischendurch immer: »Was muss ich für eine Eins tun?« – »Sagen Sie unserem Klassenlehrer, dass ich heute lieb war?« – »Sagen Sie ihm, dass ich gut mitgearbeitet habe?«
    Sie sind nur an ihren Noten interessiert und nicht am Unterricht. Sie machen einen Strich und fragen sofort: »Welche Note wäre das bis jetzt? Ist das schon eine Eins?« Meistens haben sie wenig Geduld und nur mittelmäßiges Talent. Sie denken, dem Lehrer ein Ohr abzukauen, würde für eine gute Note reichen. Aber da sind sie bei Frau Freitag an der falschen Adresse. Beim dritten »Was muss ich für eine Eins machen?« lag mir auf der Zunge: »Endlich mal die Klappe halten und was halbwegs Vernünftiges aufs Papier bringen!« Die Jungs aus der ersten Reihe sollte man schnell woanders hinverpflanzen, dann hat man wenigstens im Unterricht seine Ruhe.
    Die wahren Talente können in allen Schülergruppen schlummern. Bei den lieben Mädchen und auch bei den Biestern gibt es immer wieder herausragende Zeichnerinnen, selbst die Sitzenbleiber haben ab und zu ein Händchen für Kunst. Nur die, die wie Kevin und Martin ständig nach einer Eins fragen, haben nichts drauf. Und das wissen sie eigentlich auch selber, obwohl sie denken, sie könnten mir mit ihren ständigen Fragen suggerieren, dass sie eine bessere Note verdient hätten.
    »Kevin ist doch

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